The Wood Brothers – Puff Of Smoke – CD-Review

Review: Michael Segets

Die Musik, die Oliver und Chris Wood sowie Jonathan Rix seit gut zwanzig Jahren als The Wood Brothers machen, wird zum Teil als progressive Variante des Americana bezeichnet. Progression im musikalischen Bereich ist tendenziell anspruchsvoll, weil sie mit Hörgewohnheiten bricht. Andererseits ermöglicht sie Innovation und bläst so frischen Wind durch die Lautsprecher. Dass sich an The Wood Brothers und somit auch an ihrem neuen Album „Puff Of Smoke“ die Geister scheiden, ist also vorprogrammiert. Mein Verhältnis zu ihrer Musik ist ambivalent und stark von meiner Gemütslage oder psychischen Verfassung abhängig. Manchmal kann ich meinen Favoriten „Don’t Think About My Dead“ von der Scheibe „Kingdom In My Mind“ (2020) quasi in Dauerschleife hören, an anderen Tagen ist er ein Fall für die Skip-Taste. Ähnlich verhält es sich mit einigen neuen Tracks.

Das entspannte Titelstück im Midtempo „Puff Of Smoke“ bringt das grundlegende Statement des Werks ganz gut zum Ausdruck: Genieße den Tag und bleibe im Augenblick, denn die aus den Fugen geratene weltpolitische Lage, ändern wir Normalsterblichen nicht. The Wood Brothers präferieren Lebensfreude statt Fatalismus. Die Rauchschwaden sind nicht nur Symbol der unvermeidbaren Vergänglichkeit, sondern erscheinen in manchen Textstellen auch als lebenspraktische Möglichkeit, den Tag zu genießen. Von der letztgenannten Option wird hier dringend abgeraten. Entsprechend ihrer tiefenentspannten Grundhaltung widersprechen The Wood Brothers der Vorstellung, dass sich die Welt um Geld dreht („Money Song“) und hoffen mit einem Augenzwinkern, dass Gott lächelt, wenn er ihre Musik hört („Pray God Listens“).

Sommerlich locker präsentiert sich „Is It Up To You“ in der Mitte des Albums. In der zweiten Hälfte finden sich relativ gradlinige Songs wie die Ballade „The Waves“. „Slow Rise (To The Middle)“ und „You Choose Me“. Dennoch sind in die Stücke extravagante Sprengsel eingewoben. Deutlich experimentierfreudiger ist „Above All Others“. Zum Dreivierteltakt wabbern Klänge aus einem von Rix umgebauten analogen Synthesizer. Das Stück entwickelt allerdings in seinem Verlauf mit dem mächtigen Einstieg des Schlagzeugs einen fast schon hymnischen Charakter.

Ebenso nutzt das Trio bei „The Trick“ Verzerrungen und andere technische Spielereien, die sich in der Mitte und vor allem beim Ausklang des Tracks bemerkbar machen und den Gesamteindruck des rockigsten Beitrags des Albums etwas schmälern. Zwischen der ersten Single „Witness“ und dem mit harmonischer Klavierbegleitung vergleichsweise zahm wirkenden „Till The End“ liegen neun Eigenkompositionen der Band, bei denen sie ihren eigenen – manchmal eigenartigen – Stil beibehält.

The Wood Brothers bewegen sich mit „Puff Of Smoke“ erneut einen Schritt neben den Konventionen, die im Americana ihre Gültigkeit beanspruchen. Das wirkt erfrischend, an einigen Stellen aber auch anstrengend. Wer die Band kennt, macht mit dem Erwerb des Albums nichts verkehrt. Alle anderen sollten sich zunächst die drei aus dem aktuellen Longplayers ausgekoppelten Videos zu Gemüte führen, die auf der Website der Wood Brothers zu finden sind.

Honey Jar Records – Thirty Tigers (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Witness
02. Puff Of Smoke
03. Pray God Listens
04. Money Song
05. The Trick
06. Is It Up To You
07. Above All Others
08. The Waves
09. Slow Rise (To The Middle)
10. You Choose Me
11. Till The End

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