LeAnn Rimes – Lady & Gentlemen – CD-Review

Eigentlich sind alte ‚Countryschinken‘ und auch Cover-Alben bzw. -Konzerte gar nicht so mein Ding. Letztgenannte boykottiere ich aus Solidarität den vielen kreativen, selbst kreierte Songs spielenden Bands gegenüber, die sich immer wieder vor einigen, wenigen Zuschauern den Allerwertesten aufreißen müssen, schon seit Jahren aus Prinzip. Bei LeAnn Rimes und ihrem aktuellen Werk „Lady & Gentlemen“ sieht die Sache ein wenig anders aus, denn hier gibt es für mich persönlich einige interessante Gründe, doch so ein wenig zum ‚Umfaller‘ zu mutieren.

Zum einen ist LeAnn eine grandiose Sängerin, wie auch dieser Silberling deutlich unterstreicht. Zweitens ist sie in unserem Künstlerindex noch nicht vertreten, drittens erscheint das Wagnis, sich als Frau ausnahmslos an, von männlichen Vertretern geschriebene und performte Stücke heranzuwagen, als ziemlich mutig, viertens verspricht die unter heutigen, modernen Gesichtspunkten mögliche Umsetzung einiges an Spannung. Dazu kommt noch, dass mit Vince Gill (Produktion/instrumentell stark involviert), Darrell Brown, John Hobbs und Justin Niebank (alle Produktion) Könner ihres Fachs ins Boot geholt worden sind, die eigentlich als Garanten für ein Qualitätsprodukt stehen.

Nebensächlich interessiert natürlich auch, ob Rimes ihre zum Teil öffentlich ausgetragenen privaten Probleme (Scheidung) verkraften und musikalisch kompensieren konnte. Aufgrund der zwei neuen Bonustracks gibt sie on top noch einen Ausblick auf das nächste eigenständige Album. So genug lamentiert über das ‚Wieso-Weshalb-Warum‘ – kommen wir zur Bewertung.

„Lady & Gentlemen“ hat mich absolut begeistert, mit ganz kleinen subjektiven Abstrichen. Rimes zeigt sich über das gesamte Werk hinweg in einer überragenden vokalen Verfassung, sie zählt eindeutig zum Besten, was Nashville an Sängerinnen zur Zeit zu bieten hat. Wie sie hier zu jedem Tempo, jedem Stil (es beschränkt sich bei weitem nicht alles auf puren Country) ihr Organ voller Emotion, Kraft oder Sensibilität je nach Lage einbringt ist, absolute Weltklasse.

Eine Arbeitskollegin von mir (ein großer Reba McEntire-Fan), der ich kurz mal die Songs (natürlich in der Mittagspause…, LOL) angespielt habe, sah man nach wenigen Momenten schon die Entzückung ins Gesicht geschrieben. Ihr kurzer und knapper Kommentar. »Ist das schön, die muss ich mir sofort kaufen!« Vom grandiosen Opener „Swingin'“ (hier swingt wirklich alles; herrlich das rhythmische Fingerpicking -E-Gitarrenspiel von Vince Gill im Stile von Eric Clapton/Albert Lee – die kennen sich ja auch alle bestens von den Crossroads-Festivals) bis zum, den Coverteil abschließenden Haggard-Klassiker „The Bottle Let Me Down“ (tolle, ruhig gehaltene Mischung aus typischen Outlaw- und ‚Cryin‘ In My Beer‘-Elementen), gibt es jede Menge Feinheiten zu entdecken.

Da ‚weint‘ sie bei einigen Tracks (saustark „Wasted Days & Wasted Nights“ mit sogar spanischem Gesang am Ende; „I Can’t Be Myself“, „Help Me Make It Through The Night“, „Rose Colered Glasses“, „He Stopped Loving Her Today“) in der typischen Manier der großen weiblichen Country-Ikonen, raunzt inbrünstig in Diven-Manier einer Wynonna bei „The Only Mama That’ll Walk The Line“ und haucht der Jennings-/Willie Nelson -Uralt-Version von „A Good Hearted Woman“ (großartige E- Gitarren-/Steel-Solo-Kombi) richtig neues Leben ein.

Zu den Überraschungen zählen „16 Tons“ (im Big Band-Gewand, dazu mit dezentem Stray Cats-Flair – soll das eine Bewerbung als Titelsängerin für einen kommenden „James Bond“-Film sein? ) und der geniale Slow Blues „When I Call Your Name“ (ein Song von Vince Gill, der hier im Soloteil jetzt E-Gitarre statt Piano aufweist) und ihr Großer Hit „Blue“, der mit der Allstar-Band The Time Jumpers neu eingespielt wurde, der Vince auch angehört.

Klasse immer wieder auch die starke Instrumentierung, getragen von Gills variablen/filigranen Gitarrenkünsten und der oft dazwischen jammernden Steelgitarre. Je nach Bedarf sind Drums und Bass, sowie Zutaten aus Piano, Orgel, Fiddle und Mandoline perfekt dazu geschaltet. Auch die beiden (neuen) Bonustracks am Ende wissen zu überzeugen. Das country-bluesige „Crazy Woman“ geht gut ab (Bläsereinsätze, claptonesker E-Rhythmus), der etwas theatralische Schmachtfetzen „Give“ gehört nun mal zum guten Ton der New Country-Major-Alben einfach dazu und hätte in jedem Blockbuster als musikalische Untermalung seine Berechtigung.

Damit wären wir auch bei meinen kleinen Einschränkungen. Mir wäre ein konstantes Verbleiben auf dieser CD bei reinen Countrystücken eigentlich lieber gewesen, ich hätte hier nur gerne dann ein paar flottere Nummern mehr dabei gehabt. Das Variieren zu anderen Musikstilen und auch die neuen, modernen Tracks stören ein wenig die Gesamtharmonie des Albums, bieten aber halt dafür mehr Abwechslung. Aus taktischen Gesichtspunkten sind die Bonusstücke natürlich absolut nachvollziehbar. Leider fehlt auch die Nennung der involvierten Musiker, die es hier sicher verdient hätten, im Booklet aufgeführt zu werden.

Insgesamt gesehen, meldet sich LeAnn Rimes mit „Lady & Gentlemen“ in Bestform zurück. Es ist eine Freude, dieser jungen Dame beim Singen zuzuhören und sich von ihr betören zu lassen. Dieses Cover-Experiment ist eindrucksvoll gelungen!

Curb Records (2011)
Stil: Country & More

01. Swingin‘
02. Wasted Days And Wasted Nights
03. The Only Mama That’ll Walk The Line
04. I Can’t Be Myself
05. 16 Tons
06. Help Me Make It Through The Night
07. Rose Colored Glasses
08. A Good Hearted Woman
09. When I Call Your Name
10. He Stopped Loving Her Today
11. Blue (mit The Time Jumpers)
12. The Bottle Let Me Down

Bonus Tracks:
13. Crazy Women
14. Give

LeAnn Rimes
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