Mike McClure – Fifty Billion – CD-Review

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Dieser aus Tecumseh, Oklahoma stammende Mike McClure ist schon der Wahnsinn! Ein echter Tausendsassa der Red Dirt-Szene. Ob als emsiger Produzent/Studiomusiker bei vielen Interpreten des Genres (u. a. Cross Canadian Ragweed, Tommy Gallagher Band), Mitspieler bei diversen Live-Acts, Gründer und Frontmann von solch großartigen Bands wie The Great Divide, der Mike McClure Band oder auch ganz solo, mittlerweile sogar Mitinhaber eines eigenen Labels (598 Recordings), dieser Mike McClure ist, wenn es um Red Dirt geht, rastlos und omnipräsent (ob die ungewöhnliche Covergestaltung auch noch auf eine weitere Passion Mikes, der Schmetterlingskunde, hindeutet, bleibt ungeklärt…).

Das Erstaunliche dabei: Überall, wo er seine Finger im Spiel hat, kann man sich zum einen auf aussergewöhnliche, musikalische Qualität verlassen, zum anderen darf man sich auf (positive) Überraschungen gefasst machen. So liefert auch sein neues Solo-Werk „Fifty Billion“ erneut baumstarke Kost und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Hierzu hat er sich wieder mit seinem Spezi (ZZ Top-Produzent) Joe Hardy zusammengetan, der natürlich produziert und mit Mike sämtliche Kompostionen (alle aus der Feder von McClure) fast im Alleingang (lediglich bei Fiddle, Horns, Conga und Backs gab es partielle Unterstützung) mit diversesten Intrumenten eingespielt hat. Ja, beim Hören der ganzen Feinheiten, kann man gedanklich förmlich nachvollziehen, wie die beiden im Studio stundenlang herumgetestet, -experimentiert und jedes Songsdetail bis ins Kleinste „ausklamüsert“ haben.

Anders als bei den Scheiben, die McClure selbst produziert, und bei denen immer auch ein gewisser kommerzieller Nutzen nicht aus dem Auge verloren wird, gilt für seine eigenen Platten wohl eher das Motto „twice as different, half as popular“. „Fifty Billion“ bietet eine enorme Bandbreite an Stilen und Stimmungen (das reicht von wunderschönem, semi-akustischem Alternate Country bis zu knochentrockenem, riffigem Rootsrock, von staubigem Americana bis zu Bläser-geschwängertem Southern-Funk, oder von herrlichen Klangspielereien umgebenem, ungemein melodischem Countryrock bis hin zu punkigem Volldampf-Rock), die aber letztendlich doch alle in einer wunderbaren Harmonie und dem Oberbegriff „Red Dirt-Rootsmusic“ wie selbstverständlich zusammenfinden. Der eröffnende Titelsong, kommt zunächst einmal im enspannten, leichten Country-/Americana-Ambiente mit sehr schöner Melodie sowie etwas sonnigem Eagles-Feeling daher. Dieser „Wohlfühl-Song“ wird dann aber sofort jäh von einem deftigen, aber nicht minder starkem Rootsrocker („Black Diamond“) abgelöst, beo dem McClure mit zwei quirligen E-Gitarren-Solo-Passagen brilliert.

Beim folgenden „Horsehoe“ gibt’s direkt den nächsten Stimmungswechsel: Wundervoller Slow-Countryrock mit fast hawaianisch anmutender Steelgitarre und einem überraschenden Fiddle-Solo. „Almost Here / Almost Gone“ liefert einen kleinen Vorgeschmack auf die wohl kommende The Great Divide-Reunion (in 2012 soll es ja einige Konzerte geben), ein typischer Track in der Tradition ihres einstigen Song-Repertoires. Das sich anschließende „Distractions“ erinnert ein wenig an Lieder von Stoney LaRues letztem „Velvet“-Album mit recht introvertiertem Charakter, wo verschrobene E-Gitarren ein fast psychedelisches/hypnotisches Ambiente erzeugen. „Old Crow“ gibt sich dann wieder herrlich fröhlich. Ein kleiner hübscher, folkig/grassiger Country-Stomper mit Banjo, Dobro und Mandoline verziert, der zum Tanzen animiert und jede Menge Gute Laune verbreitet.

Bei „Hell And Highwater“ hingegen fährt McClure wieder ein „schweres Geschütz“ auf. Nach einem ruhigen, mit Akustikstreicheleinheiten unterlegten Gesangsintro und dezenten weiblichen „Uuhuuh“-Harmonies geht die Nummer in einen heissen, drückenden, souligen Memphis Funk-Blues mit fetter Hornsection und gospeligen weiblichen „Backs“ über. Man hat teilweise das Gefühl, McClure singt gegen eine ganze Big Band an. Wuchtig, aber großartig! Toll, wie sich die Bläser mit dem akzentuierten Mandolinenspiel vertragen. Und mitten in den Bläser-Part stösst der Meister dann noch mit einem bärenstarken E-Gitarrensolo vor. Das hat was! Die prompte Gelegenheit zur Erholung folgt mit „The Other Side Of Midnight“ auf dem Fuße, das fast wie ein Wiegelied mit viel Gefühl zelebriert wird. Schön hier vor allem die spanische Akustikgitarre. Dieses typische „Borderline-Flair“, wie es Charlie Daniels oft in seinen Southern Rock-Stücken verarbeitet hat, umgibt auch das voller Pathos umwobene „Outlaws Prayer“ (starke Twin-Leads). Am Ende versetzt McClure seine Hörerschaft dann endgültig ins Staunen.

„Little Birdie“ fängt zunächst mit Akustikgitarren-untermaltem Erzählgesang ganz simpel und harmlos an, wechselt dann aber plötzlich in einen überschwenglichen, mächtig abgehenden Gitarren-betonten, punkigen Rootsrocker mit Stadion-kompatiblen und Party-tauglichen „Ooohooh“-Mitgröl-Passagen, um dann so einfach und ruhig wie zu Anfang wieder abzuschließen. Ein selbst für McClure-Verhältnisse ungewöhlicher „Abflug“. Mike McClure ist sich mit seinem neuen Silberling „Fifty Billion“ wieder treu geblieben: Saustark auch wieder sein Gesang! Ist einfach wieder ein klasse Teil geworden, wie man es von ihm nicht anders erwartet. Keine „einfache“ Kost, trotzdem zumeist überaus melodisch, immer den Hörer fordernd, mutig, oft so genial wie extravagant, dann wieder schön einfach, durchgehend toll instrumentiert. Gratulation und grössten Respekt dafür, „Mr. Red Dirt“!

598 Recordings (2011)
Stil: Red Dirt

01. Fifty Billion
02. Black Diamond 4:23
03. Horseshoe
04. Almost Here/ Almost Gone
05. Distractions
06. Old Crow
07. Hell And Highwater
08. Other Side Of Midnight
09. Outlaw’s Prayer
10. Little Birdie

Mike McClure
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