Henrik Freischlader Band – Missing Pieces – CD-Review

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Review: Michael Segets

Das Musik-Business hat sich mit der Entwicklung der Digitalität deutlich verändert. Der Siegeszug der Streaming-Dienste auf der einen Seite und das Wiederaufkommen von Vinyl auf der anderen spiegeln wohl zwei unterschiedliche Zugangsweisen zur Musik dar. Die CD steht zwischen den beiden Extremen und wird wahrscheinlich langsam vom Markt verdrängt.

Während die schnelle Verfügbarkeit (fast) jedes Einzeltitels in Zeiten des Internets problemlos möglich ist, nehmen sich Vinyl-Enthusiasten Zeit für eine Platte. Bei der ästhetischen Zelebration des Abspielen eines Albums – vom nahezu ehrfürchtigen Herausnehmen aus dem Cover über das vorsichtige Auflegen und Entstauben der Rillen bis hin zum sanften Setzen der Nadel – kommt jedem Schritt eine Bedeutung zu. Das haptische Erlebnis, das dem Hörgenuss vorausgeht, wird durch die visuelle Wahrnehmung des Covers ergänzt. Musikgenuss ist hier nicht nur auf das Auditive beschränkt.

Den Anlass für diese schon fast philosophische Betrachtung liefert das neue Werk „Missing Pieces“ der Henrik Freischlader Band, von dem mir die CD-Version vorliegt. Das Digi-Pack folgt dem raffiniertesten Gesamtkonzept, welches mir seit langer Zeit untergekommen ist. Einerseits ist das Cover-Artwork von Caroline Sandmayer zu erwähnen, das durch ein Cut-Out zwei Ebenen aufweist. Andererseits beeindruckt die Idee, jedem Track ein doppelseitig bedrucktes Blatt zu widmen, das zwischen die beiden Ebenen des Titelbildes eingeschoben werden kann. Man hat also 27 Cover-Varianten zur Auswahl.

Musikalisch knüpft „Missing Pieces“ an den Vorgänger „Hands On The Puzzle“ an. Wieder in den Arnsberger Megaphon Tonstudios aufgenommen, verzichten Freischlader und seine Mannen auf Overdubs bei den live eingespielten Tracks, wodurch die Scheibe ehrlich und handgemacht klingt. Der Songwriter, Sänger und Gitarrist Henrik Freischlader setzt erneut auf die Stammbesetzung seiner Begleitband, die unverändert aus Roman Babik an den Keyboards, Armin Alic am Bass, Moritz Meinschäfer am Schlagzeug sowie Marco Zügner am Saxophon besteht.

Das elegische „Opening“ eröffnet mit ausgiebigen, wehmütigen Gitarrenklängen das Album. Das Instrumental leitet atmosphärisch das folgende „New Beginning“ ein, bei dem die eindringliche Gitarrenarbeit fortführt wird.

Die Stücke auf „Missing Pieces“ bewegen sich überwiegend im Bluesspektrum („I Wanna Thank You“, „We Used To Be Happy“). Besonders gelungen sind „Justice Blues“ sowie das rauere „What Have I done To You?“. Mit seiner rockigen Note weiß „Let The People Bee Free“ zu überzeugen. Neben seiner Domäne, dem Blues, greift Freischlader mehrmals Funk-Elemente auf. So klingen Funky-Töne trotz des Titels bei „It Ain’t Funky“ an. Zu hören sind sie auch bei „Power To The Peaceful“, das an die Musik der Siebziger rund um „Shaft“ erinnert.

Manchen Songs („One And One Is One“, „Walking In The Shadows Of The Spotlight“) gibt die Henrik Freischlader Band eine Portion Soul mit, woran Marco Zögner am Saxophon einen großen Anteil hat.

Experimentellere Passagen finden sich, wie für Freischlader üblich, ebenfalls auf dem Longplayer. Von diesen bin ich ja kein Freund, aber nach mehrmaligen Hören integrieren sie sich in die Songs. Lediglich bei „Another Missing Piece“ nehmen die Keys einen Improvisationscharakter an, den ich nicht mehr mitgehe.

„Missing Pieces“ ist ein Beispiel dafür, dass man sich für Musik Zeit nehmen sollte. Die Stücke gewinnen bei jedem Durchlauf. Als Gesamtkunstwerk ist die Hardcopy ein Highlight, das sich auch unter dem Tannenbaum gut macht.

Cable Car Records (2020)
Stil: Blues, Funk

Tracks:
01. Opening
02. New Beginning
03. Power To The Peaceful
04. Let The People Be Free
05. Another Missing Piece
06. Justice Blues
07. It Ain’t Funky
08. I Wanna Thank You
09. What Have I Done To You?
10. Grown Up
11. One And One Is One
12. We Used To Be Happy
13. Walking In The Shadows Of The Spotlight

Henrik Freischlader
Cable Car Records