Bottle Rockets / LIVE In Heilbronn – CD-Review

Ich war eigentlich nie so ein ganz großer Fan von Live-CDs, und im Prinzip halte ich sie im Zeitalter der DVD mittlerweile auch für ziemlich überholt. Klar, sicherlich kommt es auch immer auf das Budget an, nicht bei jeder Band kann oder wird da aus dem Vollen geschöpft. Irgendwo ist es aber schon eine andere Geschichte, von einem Event auch die Bilder gleich mit dazu geliefert zu bekommen, als wenn nur (sei es auch gute) Musik, ein paar Ansagen des Frontinterpreten und der gezollte Beifall aus den Boxen entgegengerauscht kommen. Die DVD hat einfach den Vorteil, dass man so ein Ereignis atmosphärisch besser nachvollziehen kann. Ideal natürlich, wenn man direkt live dabei gewesen ist, dann erfüllt für den Einzelnen auch die CD-Version sicherlich ihren Sinn.

Im Falle der Bottle Rockets hat ‚Blue Rose‘ einen ganz akzeptablen Mittelweg gefunden, zumal vermutlich hier auch die rechtlichen Bindungen der Band eine Rolle gespielt haben. Eine liebevoll gestaltete Doppel-CD, randvoll mit dem kompletten Konzert, ergänzt mit zwei Videos der Songs „Get Down River“ (voller Country-Flair) und „Nancy Sinatra“ (klasse Rhythmuswechsel), die einen Nichtbesucher wie mich, dann doch schon im Nachhinein ein wenig neidisch zurücklassen. Wer dieses Konzert mit Leib und Seele live erlebt hat, darf sich wohl glücklich schätzen. Die Truppe um die Urmitglieder Brian Henneman und Mark Ortmann hat an diesem Abend zweifellos ihr Können bis aufs Maximum ausgereizt. Schade, dass solche Bands zumeist nur in südlichen Gefilden ihre Aufwartung machen, der Westen ist und bleibt wohl in Sachen Americana, Roots und Country Rock weiter Entwicklungsland.

Das Bürgerhaus Böckingen in Heilbronn ist so was wie der Heimspielort von ‚Blue Rose Records‘, von daher kann man nachvollziehen, dass Label-Chef Edgar Heckmann diese Location für solch ein einzigartiges Ereignis ausgewählt hatte, zumal es die Bottle Rockets live bis dato noch nicht auf Tonträger gab. Zudem hatte Leader Brian Henneman an diesem Abend Geburtstag, was sich natürlich noch zusätzlich positiv auf das Stimmungsbarometer auswirkte. Und so gab es zu Beginn direkt das obligatorische Ständchen des gut aufgelegten Publikums.

Danach startet mit dem polternden „Trailer Mama“ bis zur letzten Zugabe, dem 12-minütigen Neil Young-Cover „Cortez The Killer“ mit seinen endlos erscheinenden E-Soli, eine Demonstration in Sachen Americana, Roots-Country-Southern-Rock, wie man sie an Intensität und Spielfreunde wohl nur selten erleben kann. So konstatiert Brian immer wieder zwischendurch „I’m sweating my ass off“, was durch den auf CD2 beigefügten Videobeweis nachhaltig untermauert wird. Adrenalin pur! Furioses, variables, meist rauhes Zusammenwirken (mal retro, mal psychedelisch, mal slide-mäßig, mal southern) an den Gitarren von Henneman und James Horton (der vielen im Zusammenhang mit Jay Farrars Son Volt bekannt sein wird), dazu das powernde Bass-Spiel des zweiten Neulings Steve Voegele, und natürlich das kraftvolle, effektive Gehämmere von Mark Ortmann am Schlagzeug, das manchen der vielen Uptemposongs sogar zum Teil dezent-punkige Anstriche („Gotta Get Up“) verleiht.

Meine Favoriten. Die beiden knochentrocken gespielten, bekannten Hits „Alone In Bad Company“ und „24 Hours A Day“ oder das superfetzige „Gravity Fails“, die aber trotz allen Drives in melodischen Sphären dahinbretterten. Herrlich die Durchatmer, wie das traumhaft, entspannte „Kerosene“ (schöne E-Fills, langes E-Solo), das Doug Sahm-Stück „At The Crossroads“ (Southern-Flair – ABB meets MTB), oder das mit einem wunderbar kratzigen, aber sehr angenehmen Gitarrenrhythmus durchzogene, balladeske „Pot Of Gold“.

Nicht zuletzt wegen der zwei Neil Young-Cover zu empfehlen für Freunde der Kooperation Young & Crazy Horse, auch John Hiatt- und Dan Baird-Sympathisanten bis zu Jack Ingram-Anhängern kann dieses wirklich bärenstarke Konzert empfohlen werden. Eigentlich jeder, der sich für reife niveauvolle, gelebte Rockmusik interessiert, sollte seine CD-Sammlung mit diesem Doppel-Silberling bereichern. Mir bleibt als neidischem Rezensenten abschließend nur noch der verzweifelte Versuch des Appells an die Herren Henneman und Heckmann. Auch im Westen wird solch herrliche Musik gerne live gehört, und, wenn es irgendwie machbar sein sollte, bitte gleich eine DVD eines so denkwürdigen Ereignisses.

Blue Rose Records (2006)
Stil:  Country Rock

CD 1:
01. Intro Happy Birthday
02. Trailer Mama
03. I Wanna Come Home
04. Alone In Bad Company
05. Slo Toms
06. Get Down River
07. I’ll Be Coming Around
08. 1000 Dollar Car
09. Blue Sky
10. Nancy Sinatra
11. When I Was Dumb
12. 24 Hours A Day
13. Waitin‘ On A Train
14. Gas Girl
15. Cartoon Wisdom
16. Sometimes Found
17. Gravity Fails
18. Kerosene
19. Love Like A Truck
20. Indianapolis
21. Gotta Get Up
22. At The Crossroads

CD 2:
01. Welfare Music
02. Hey Hey, My My (Into The Black)
03. Pot Of Gold
04. Lonely Cowboy
05. She’s About A Mover
06. Cortez The Killer

Extras: 
07. Get Down River (Video)
08. Nancy Sinatra (Video)

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