Radney Foster / Del Rio Texas: Revisited Unplugged & Lonesome – CD-Review

Zwanzig Jahre nach seinem Solo-Debüt „Del Rio. Texas 1959“ hat Radney Foster auf vielfachen Wunsch seiner Fangemeinde, das Album in einer Unplugged-Version neu eingespielt. Zuvor hatte er als Part des Duos Foster & Lloyd bereits Erfolge erzielt, sich aber 1990 von seinem Partner getrennt (übrigens haben er und Bill Lloyd letztes Jahr auch ein recht schönes Comeback-Werk veröffentlicht).

Radney Foster hat sich seit jener Zeit prächtig entwickelt. Mittlerweile ist er in den Staaten ein hochangesehener Interpret, Songwriter und auch Produzent, der für Qualitätsprodukte garantiert. Viele Kollegen wie z. B. Keith Urban, Dixie Chicks, Sara Evans oder Darius Rucker (Hootie & The Blowfish) wurden durch ihn inspiriert und coverten seine Songs. Hier bei uns in Deutschland ist er aber ein immer noch viel zu wenig beachteter Künstler. Ähnlich wie bei Keith Urban, darf ich mir auf die Fahne schreiben, ihn schon relativ frühzeitig mit seiner CD Another Way To Go mal bei uns vorgestellt zu haben.

Wenn man so ein Projekt bespricht, bietet es sich quasi an, beide Werke zu vergleichen, obwohl dies nach so vielen Jahren hier eher wenig bringt, zumal das eine elektrisch und das andere richtig ‚naturbelassen‘ eingespielt wurde. Fosters Erstling wirkt – kurz zusammengefasst – in der Nachbetrachtung viel mehr retro (teilweise wie im Jukebox-Sound der 60er) und mit einem deutlich höheren Honkytonk-, und Dancehall-Flair behaftet.

Was in jedem Fall aber deutlich erkennbar ist, ist der spürbare Reifeprozess, den Foster im Laufe der Zeit durchlebt hat, und vor allem das Zulegen an Charisma, das durch seine angenehme Stimme heute deutlich offenbart wird. Für die Unplugged-Version hat Radney einen edlen Kreis an Musikern (Marty McGuire, Jon Randall Stewart, Steve Fishell, Brady Black von der Randy Rodgers Band, Michael Ramos, Matt Borer und Glenn Fukunaga) und Backgroundsängern (Dan Baird, Jack Ingram, Marc Broussard) und -sängerinnen (Jessi Alexander, Ashley Arrison, Georgia Middleman) im Kreise versammelt und alles an einem Wochenende ohne jeglichen technischen Firlefanz eingespielt. Sicherlich beneidenswert, wer diese magisch anmutende Arbeit, live im Studio verfolgen durfte.

Die Trackliste wurde zum Debüt variiert, dazu gibt es mit „Me And John R.“ noch einen herrlichen neuen Track, der sich im Gesamtgefüge einordnet, als hätte er immer schon dazugehört. Aus den herbeigeschafften Saiteninstrumenten (Akustikgitarre, Mandoline, Dobro, Weisenborn, Shuitar, Fiddle, Cello, Upright Bass) wird wirklich so alles herausgeholt, was möglich ist. Hier klingt, surrt, zirpt, quietscht und leiert es an allen Ecken und Enden, dass es eine Freude ist. Dazu kommen noch wohlige, grandios unterstützende Wurlitzer-, Akkordeon- und dezente (Pinsel-) Drum- und Percussion-Zutaten.

Steve Fishell, der das Debüt damals produziert hatte, mit seiner filigranen Dobro-Arbeit und die Fiddler McGuire und Black sowie natürlich Foster mit seinem hervorragenden, trockenen, teilweise introvertiert klingenden Gesang hinterlassen dabei, den bleibendsten Eindruck. Auch die süßen Harmonies der o. a. Damen (ihre männlichen viel prominenteren Pendants bleiben dagegen eher unauffällig) bereiten dem Rezensenten süffisanten Genuss. Eine, was diese Musik betrifft, zugetane Arbeitskollegin von mir, war auch direkt nach nur wenigen Klängen vom klaren und reduzierten Sound fasziniert. OT:  „Da kann man ja fast jeden String einzeln hören.“

Insgesamt betrachtet ist Radney Fosters „Del Rio. Texas Revisited Unplugged & Lonesome“ die perfekte Umsetzung einer tollen Idee. Hier macht es Spaß sich zurückzulehnen und relaxt dem Gebotenen zu lauschen und dabei natürlich viel feines musikalisches Fingerspitzengefühl und Können zu entdecken. Teilweise kommt es einem vor, als wenn man mit dabei säße. Ich bin jetzt schon gespannt (falls Radney und meine Wenigkeit es hoffentlich noch erleben sollten…) was dieser sympathische Musiker aus Del Rio sich im Jahre 2032 zu dieser Platte einfallen lassen wird…

Devil’s River Records (2012)
Stil: Country

01. Just Call Me Lonesome
02. Don’t Say Goodbye
03. Easier Said Than Done
04. A Fine Line
05. Me And John R.
06. Nobody Wins
07. Old Silver
08. Louisiana Blue
09. Closing Time
10. Hammer And Nails
11. Went For A Ride

Radney Foster
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Bärchen Records

Hands On The Wheel – River Of Time – CD-Review

Mein Review zur Neuauflage des Albums „Restless Heart“ von Ende 2009 endete mit der hypothetisch gestellten Frage, ob Tom Ripphahn nicht Lust hätte, mal wieder neues Hands On The Wheel-Material zu kreieren. Ob dies der Stein des Anstoßes war, lass ich mal dahingestellt, Fakt ist aber, dass mit „River Of Time“ jetzt knapp anderthalb Jahre später ein neuer Hands On The Wheel-Silberling vorliegt.

Ein schönes Album, ich mag einfach diese entspannte, melodische amerikanisch angehauchte, filigran gespielte Musik, ich mag Tom Ripphahns Stimme. Zudem stammt er aus der gleichen Altersriege und seine Texte und Biografie beinhalten diverse Ähnlichkeiten (zu Erlebtem in meiner sportlichen Vergangenheit). Im Prinzip reflektiert er exakt die Erfahrungen, Weltanschauungen, Probleme und Freuden von Leuten wie mir, die voll im Leben stehen und jetzt stramm auf die Fünfzig zugehen. Im Groben und Ganzen entdecke ich fast so was wie eine weitläufige Seelenverwandtschaft.

„River Of Time“ beinhaltet acht neue Tracks, ein recht gelungenes Neil Young-Cover („Don’t Let It Bring You Down“ von „After The Goldrush“ mit sehr schönen Kontrasten zwischen akustischen und heftigen elektrischen Parts) und eine hauptsächlich akustisch gehaltene Neuauflage von „Face The Music“ (mit ganz dezenten E-Gitarrentupfern, Toms Gesang kommt dafür besser zur Geltung), wobei mir aber die ‚Voll‘-Version auf „The Seed“ letztendlich doch besser gefällt (nicht zuletzt auch wegen den weiblichen Backs und der schwungvolleren Note). Beim Vergleich der Lieder und Zuhilfenahme des Booklets fiel mir übrigens zu meiner eigenen großen Überraschung auf, dass Tom auf diesem Werk damals zwei Stücke mit dem von mir ebenfalls sehr geschätzten Steve Azar komponiert hatte. Das war mir bisher völlig durchgegangen.

Die neuen Nummern halten alle das gewohnte gute Hands On The Wheel-Niveau vergangener Tage, wobei Tom sich nicht den Gegebenheiten der heutigen Zeit angepasst und sämtliche Songs völlig ‚organisch‘ belassen hat, was bedeutet, dass nicht am PC nachbearbeitet wurde. Für zwei Kompositionen ist wieder sein alter Weggefährte Dave Meaney (mit-) verantwortlich (der Opener „Make It Home“, ein entspannter Midtempotrack und das am Ende recht anklagende, z.T. psychedelisch gestaltete „Justice“). Den Löwenanteil hat Ripphahn mit dem bei Blue Rose unter Vertrag stehenden Musiker Markus Rill ins Leben gerufen. Rill steuert ansonsten nur einmal Harmoniegesänge auf „Way Down At The End Of The Hall“ bei (ein recht grimmig, mit leicht verfremdeter Stimme gesungener Song, der mich ein wenig an die Bottle Rockets erinnert).

Zu meinen persönlichen Favoriten zählen das lebensbilanzierende, nachdenklich dahinströmende Titelstück „River Of Time“, das mit Dobro und Pump Organ verzierte, herrlich relaxte „With Every Passing Day“ (fast wie eine HOTW-Interpretation von Dire Straits‘ Brothers In Arms, wunderbar hier, wie auch bei einigen anderen Tracks, Ripphahns einfühlsames Mundharmonikaspiel), das sehr klug gestrickte „Kiss & Run“ (leider das einzige Lied mit weiblichen Backs, schönes E-Solo) und das atmosphärische „Last Ride Home“ mit seinem wunderschönen folkig angehauchten Refrain als absolutes Highlight. Toll vor allem, wie hier im Text eine Liebesgeschichte mit unterschwelliger Gesellschaftskritik verschachtelt wurde. Ein Kandidat für meinen Song des Jahres 2011. Klasse!

Mit „River Of Time“ ist Tom Ripphahn, alias Hands On The Wheel, wieder ein starkes Werk gelungen. Wer die früheren Outputs mochte, wird auch dieses Album mit Genuss aufsaugen, auch wenn es unter anderen Vorzeichen kreiert wurde. Man merkt Ripphahn mittlerweile den Musiker an, der, frei von Zwängen (mit eigenem Studio, Label und Vertrieb), mit sich ins Reine gekommen ist. Das spürt man durch jede Faser dieser CD. Wie gewohnt, gibt auch die äußerliche Aufmachung was her (Super Jewel Box, mehrseitiges Booklet mit allen Texten, mit denen es sich zu beschäftigen lohnt und vielen Bildern, mit der einzigem kleinen Unstimmigkeit, dass man den zweiten Part der ‚Words‘ von „River Of Time“ auf den oberen Teil der folgenden Seite hätte packen können…).

Fotografiert hat übrigens der von Tom mittlerweile produzierte, Ex-Fury In The Slaughterhouse-Sänger Thorsten Wingenfelder. Ein sehr empfehlenswertes Gesamtprodukt, das Tom Ripphahn auch im Rahmen seiner anstehenden Live-Auftritte (allein oder zu zweit) intensiv präsentieren wird!

analoghaus (2011)
Stil:  Americana

01. Make It Home
02. Jenny & Johnny (Shelter From The Cold)
03. River Of Time
04. Way Down At The End Of The Hall
05. With Every Passing Day
06. Kiss & Run
07. Don’t Let It Bring You Down
08. Face The Music
09. Last Ride Home
10. Justice

analoghaus

Hands On The Wheel – Restless Heart – CD-Review

Es scheint wirklich wahr zu sein. Oft regeln sich Dinge im Leben von alleine, man muss halt nur lange genug warten können. Da ich aber gewöhnlich einem irdischem Dasein fröne und (leider) in die Hektik und den Stress der heutigen Zeit voll eingebunden bin, ist diese wohl eher auf Musiker übertragbare Lebensphilosophie relativ untypisch für mich (auch wenn ein nicht unerheblicher Teil meiner Zeit in Musik investiert wird). Ein Review über eine Scheibe von Hands On The Wheel hatte ich schon länger geplant (insgeheim dabei aber immer auf eine neue Comeback-CD gehofft), der aber kontinuierliche Wust an zu besprechenden aktuellen Sachen ließ dieses Vorhaben bis auf Weiteres auf sich beruhen.

Für unsere traditionelle Weihnachtsaktion (da besprechen wir ja meist ältere Kamellen – bei den meisten Kollegen ‚Klassiker‘ genannt, die dann ihren fortwährenden Nostalgie-Wahn offiziell mal so richtig ausleben können… – vornehmlich verdienter Bands, die es, aus welchen Gründen auch immer, bisher nicht in unserem Künstlerindex geschafft haben) kamen Hands On The Wheel aus meiner Sicht noch nicht in Frage, zum einen ist das ‚Verfallsdatum‘ ihrer Scheiben nicht lange genug abgelaufen, zum anderen klingt die Band trotz der vergangenen Jahre meines Erachtens auch heute noch zu frisch, um sich da in die Riege mancher Dinos einzureihen.

Kommen wir aber zu meinem Intro. Da schneit vor einigen Tagen dann doch tatsächlich aus dem Nichts eine vom Mastermind Tom Ripphahn persönlich geschickte Hands On The Wheel-Scheibe in unser Hauptquartier zur Besprechung herein. Es ist zwar ’nur‘ ein remastertes Teil ihrer eigentlichen Debüt-CD „Restless Heart“, die schon im meinem Besitz ist (wie alle ihrer anderen Werke auch), aufgewertet allerdings durch ein paar Bonustracks, inkl. zweier unveröffentlichter Stücke und, wie ich mittlerweile vor mir sehe, auch mit dem für die Band bei allen anderen Werken üblichen, ausführlichen und meist klasse gestalteten Cover/Booklet versehen (was bei der Independent-Veröffentlichung naturgemäß aus Budget-Gründen damals vermutlich nicht der Fall war).

Hands On The Wheel nahmen Mitte der neunziger Jahre bei mir persönlich die Stellung ein, die heute die Band Of Heathens inne hat. Die Band hatte in ihren Songs von allem so ein bisschen, was bei mir oben in der Geschmacks-Prioritätenliste angeführt war und mit kleinen Ergänzungen auch bis zum heutigen Tage weiterhin zu den Präferenzen zählt. Immer fein instrumentierte Melodien, eine extravagante Charakterstimme (Ripphahns von scheinbar chronischer Heiserkeit geplagtes Vokalorgan, sein wie kaum bei einer anderen deutschen Band so authentisch amerikanisch klingender Gesang), die letztendlich in einer Mischung aus rootsigem Rock, Southern Rock – klasse fand ich immer, dass sie oft weibliche Backs mit einbanden -, Country – Dobro-, Mandolinenbeteiligung – und dezenten, aber immer niveauvollen Pop mündeten, was heute unter dem Oberbegriff ‚Americana‘ eingeordnet werden kann (mittlerweile kommen in meinem Fall, wie bekannt, der New Country und vor allem noch der Red Dirt hinzu).

Kommen wir zu „Restless Heart“. In meinem persönlichen HOTW-Ranking, stand sie bisher, ehrlich gesagt, aufgrund der Kürze, der spärlichen Covergestaltung, und des Umstandes, dass ich sie mir als letztes zugelegt hatte (dadurch kannte ich einige Songs auch schon) an letzter Stelle, ohne dabei allerdings von der musikalische Qualität zu enttäuschen. Mein Lieblingswerk ist und bleibt ihre letzte Scheibe „Promised Land“ (1996) und als Titel, das darauf befindliche, grandiose „Get Where You’re Going“. Ihren kommerziellen Höhepunkt (zu dieser Zeit mit Major-Label im Rücken) erlebte die Band allerdings mit „The Seed“ (von 1994 – tolle Covergestaltung!), der Supports für keine geringeren Interpreten als Joe Cocker, Bob Dylan, Huey Lewis oder Nils Lofgren zur Folge hatte.

Die Stammsongs von „Restless Heart“ wirken durch das jetzige Remastering, rein subjektiv betrachtet, dezent frischer und zeigen sich vom klanglichen Gefühl her etwas klarer und voluminöser. Die als Bonus beigefügten, modifizierten Einspielungen bereits bekannter Songs sind als gelungen zu betrachten. Die ergänzten weiblichen Backs bei „Rainy Town“ und „Ghost Train“ gefallen mir dabei besonders. Die unveröffentlichten „Going Through A Hard Time“ (flockiger, dezent Country-infizierter Rock mit Akustikgitarrenuntermalung, E-Fils, Organ, klasse Backs und Harmonies) und das gitarrenlastige, entspannte Instrumental „The Desert“ sind angenehme Zubrote in gewohnter Qualität. In dieser Form ist das Werk jetzt in jedem Fall eine Empfehlung wert.

Bandleader Tom Ripphahn verbringt heute vornehmlich seine Zeit damit, im eigenen Studio andere Interpreten zu produzieren (u.a. Ex-Fury In The Slaughterhouse Thorsten Wingenfelder, I Saw Elvis, Abi Wallenstein, Anne Haigis) und dazu zum Teil mit einigen seiner neuen Songkreationen zu bedienen. Er spielt aber öfter auch noch solo oder im Duo in kleineren Clubs, wo dann einige Hands On The Wheel-Songs mit im Programm integriert sind. Ich persönlich hätte mittlerweile aber auch nichts gegen eine ‚richtige‘ Hands On The Wheel-Reunion mit dem dazu gehörigen neuen Output. Kein Bock, Tom?

analoghaus (2009), Roving Records (1991)
Stil:  Americana

01. Gotta Get Away
02. Still Waters Run Deep
03. Restless Heart
04. Ghost Train
05. In Your Eyes
06. Here And Now
07. For Your Love Part I
08. For Your Love Part II
09. Never Going Home

Bonus Tracks: 
10. Rainy Town
11. Going Through A Hard Time
12. Back To The Wall Of History
13. Don’t Want To Be Your Lover Anymore
14. Ghost Train
15. The Desert

analoghaus

Steve Mednick / Ambling Toward The Unknown – CD-Review

Med

Steve Mednick ist neben seinem musikalischen Treiben in erster Linie Rechtsanwalt. Rechtsanwälte kann ich, um ehrlich zu sein, überhaupt nicht ausstehen. Ich halte sie neben einigen anderen Gruppierungen unserer immer unerträglicher werdenden Gesellschaft für eines der großen Grundübel unserer Zeit, wobei mir natürlich nicht fremd ist, dass man solche Sachen eigentlich immer differenziert betrachten muss und keine Allgemeinurteile fällen sollte.

Aber, wenn ich allein schon an meinen nervtötenden, arroganten, Klassik-liebenden Nachbarn (man fragt sich, vor allem angesichts seines verkorkstem Lebens und asozialen Verhaltens, warum) denke, der bei mir ständig im Innersten teuflischste Mordgelüste erweckt und ich dabei noch gewisse äußerliche Ähnlichkeiten zu einem Mednick-Foto im Inneren des Digipacks konstatieren muss, sollte ich sofort mein Review-Mandat zu „Ambling Toward The Unknown“ wegen Befangenheit niederlegen und die CD in die Kollegenrunde weiterreichen.

Tolerant und profihaft, wie sich der Countryman aber in letzter Instanz gibt, habe ich mich nach dem mehrmaligen Durchhören des Werkes dann doch entschlossen, dieser schon länger existierenden Scheibe ein paar Zeilen zu widmen. Zum einen, weil die Biografie hervorbringt, dass er sich als engagierter Bürgerrechtler verdient gemacht hat und sich zudem auf diesem Werk als Bush-Gegner („Time For A Change“) profiliert. Das macht den Rechtsanwalt, wie auch den Musiker und Menschen Steve Mednick sympathisch.

Rein musikalisch gesehen bietet der Protagonist einen etwas kauzigen Roots Rock an der Schnittstelle zum Singer/Songwritertum mit einigen netten Songs (aber auch kleinen Hängern und Längen) und zum Teil ganz markanten E-Gitarrenleistungen (gut hier Billy Kotsaftis).
Die Stimme Mednicks pendelt irgendwo zwischen einem John Hiatt und Bottle Rockets-Frontman Brian Henneman und erzeugt naturgemäß letztendlich auch Assoziationen zur Musik benannter Künstler, allerdings eher in der ‚mit angezogener Handbremse‘-Version und ohne sicher auch deren Breite in der Publikumsgunst erreichen zu werden.

Insgesamt ein typisches Independent-Album, dass man sich in ruhigen Stunden mal bei einem Gläschen Wein gemütlich reinziehen kann. Nicht mehr und nicht weniger. Zumindest ist es ihm gelungen, meine negative Sicht in Bezug auf seine Berufszunft abseits des Künstlerlebens ein wenig aufzupolieren!

Eigenproduktion (2007)
Stil: Americana

01. Wherever Path Lead
02. St. Lucia Morning
03. Howard’s Run
04. Words
05. State Road 55
06. Rules Of Order
07. A Lost Child
08. To A Distant World
09. Grave Rolling
10. Prelude To The Fall/Jacksonville
11. Devil In The Woods
12. Time For A Change
13. A Silent Surge

Steve Mednick
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Hemifrån

Todd Thibaud – Waterfall – CD-Review

Wasserfälle hatten für mich schon immer etwas Magisches, Bewegendes an sich. Ein toller ergreifender Anblick, die gewaltigen Massen des feuchten Gutes von oben herab in die Tiefe rauschen zu sehen. Ein wahres Naturspektakel!

Auch Todd Thibauds Musik hat, seit mein früherer Schreibkollege Manni Hüther mich mit der Nase auf sein „Little Mystery“-Album stieß, über die Jahre in ihrer Anziehungskraft und Faszination auf mich stetig zugenommen. Man kann sagen, der in der Nähe von Boston lebende Singer/Songwriter zählt trotz meiner Hauptvorlieben für Southern Rock und New Country mittlerweile zu meinen absoluten Lieblingsinterpreten.

Vier Jahre sind tatsächlich seit seinem überragenden Werk „Broken“ schon wieder ins Land gezogen, in der Zwischenzeit gab es allerdings ja noch die schöne Live-DVD sowie seine erneute Kollaboration mit Kumpel Joseph Parsons. Auch sein neues Album „Waterfall“ (natürlich wieder unter Blue Rose-Flagge) weiß wieder auf ganzer Linie zu überzeugen. Allein der fulminante Auftakt mit den herrlich flockigen, Heartland-trächtigen Openern „What May Come“, „Not For Me“ (mein Lieblingstrack des Silberlings), dem poppig verspielten Titelstück und dem atmosphärischen, leicht 70ies umgarnten „When The Evening Falls Apart“ ist schon allererste Sahne.

Das rockige „Hollow“ (mit Mellencamp-/Springsteen-Flair, kommt mir irgendwie bekannt vor, als wenn er es schon früher mal live gespielt hätte), läutet die zwei Überraschungen des Longplayers ein. „Lonesome June“ kommt mit seinem Schifferklavier in einer Art ‚Sailor (kennt die jemand diese grässliche Formation noch?) goes Americana‘ daher und würde der Name des nächsten James Bond-Filmes „Stranger“ lauten, hätte Todd direkt eine Bewerbungsgrundlage für das Titelstück zu bieten (dunkler Barroom-Schwofer mit unterschwelligem Stray Cats-Flair und integrierten Bläserelementen).

Ab da geht es dann in bewährter Thibaud-Manier weiter. Schöne, melodische von dezenter Introvertiertheit, manchmal auch Melancholie („All In A Dream“, „Evermore“) geprägte Nummern, pendelnd zwischen Pop, Rock, Country und Roots-Gefilden, mit intelligenten Texten und wunderbar instrumentiert. Dazu natürlich Todds sich sanft ins Ohr einschmeichelnde Wohlfühlstimme.

Stark hier ganz besonders das recht forsch und aggressiv voranpreschende „Wears Me Down“ (klasse die rotzigen Backs von Jen D’Angora) und das herrliche Zusammenspiel zwischen Thibauds Akustikgitarre, Thomas Julianos gurrender Dobro und Sean Staples Mandolinengezirpe beim abschließenden Lovesong „Evermore“.

Auffällig zum letzten Album ist diesmal, dass Todd etwas prägnanter E-Gitarren, (auch weibliche) Harmoniegesänge/Backs mit einfließen lassen hat (toll vor allem hier Chris Toppin). Die Einbindung von Bläsern und auch die Neubesetzung der Keyboards mit Ben Zecker (mit allerlei schön dosierten Orgel-, Piano- und Synthie-Spielereien) erweist sich als Glücksgriff.

So bleibt mir am Ende nichts weiter übrig, als Todd Thibauds neue CD „Waterfall ein weiteres Mal in höchsten Tönen zu loben und meine Vorfreude auf sein Konzert in Wesel Ende April (weitere Daten seiner Tournee siehe in unseren Tourterminen) kundzutun! Die schöne Gestaltung des DigiPaks inklusiv des eingesteckten Booklets mit allen lesenswerten Texten werten die Sache zudem noch weiter auf. Great stuff again, Mr. Thibaud!

Blue Rose Records (2013)
Stil: Singer/Songwriter / Americana

01. What May Come
02. Not For Me
03. Waterfall
04. When The Evening Falls Apart
05. Hollow
06. Lonesome June
07. Stranger
08. All In A Dream
09. My Own
10. Wears Me Down
11. Change A Thing
12. Evermore

Todd Thibaud
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Blue Rose Records

Todd Thibaud – Broken – CD-Review

Tod

Das fünfte Studioalbum von Todd Thibaud! Nachdem er mit seinem Meilenstein „Northern Skies“ die Messlatte in immense Höhen gelegt hatte, war ich gespannt, ob der umtriebige Musiker mit seinem neuen Werk „Broken“ auf diesem Level weiterfahren kann, einen Durchhänger abliefert oder etwa das Unmögliche zustande bringt und nochmals eine Schippe drauf legen kann. Ich nehme es vorweg. Nach den bisher erlebten Hördurchgängen ist der hochwertige Status Quo gewahrt.

Thibaud, der diesmal auch die komplette Produktion übernahm, ging diese Scheibe mit einem anderen Ansatz an. In früheren Zeiten hatte er den einspielenden Studio-Musikern bereits weitestgehend fertige Demos überreicht, an denen dann nur noch der Feinschliff vorgenommen wurde. Diesmal spielte Todd jedoch alles nur akustisch ein und überließ seinen langjährigen Kumpels (mit Dave Limina und Milt Sutton sogar zwei Mitglieder aus seinen Courage Brothers-Tagen, dazu Jeff St. Pierre, Seven Mary Three-Gitarrist Thomas Juliano, Sean Staples, Adam Steinberg, Buffalo Tom-Leader Bill Janovitz, Matt Tahaney) die instrumentelle Interpretation, die in knapp drei Tagen verwirklicht wurde.

Die akustische Urversion ist hier als Bonus-CD beigelegt, so dass man sich auch sein eigenes Bild machen kann, eine schöne Sache. Dazu noch ergänzt mit drei weiteren, unveröffentlichten Tracks, die dann nicht auf den End-Silberling gebracht wurden. Das Hauptwerk startet mit sieben Killernummern am Stück. Das grandios melancholische „I Go On“ (herrliche E-Bariton-Einlagen, tolles Organ), das flockige Titelstück „Broken“ (sehr rhythmisch, tolle E- Gitarre, surrendes Organ), der tanzbare Country-Feger mit dezentem Rockabilly-Touch „Changing Now“, das schroffe „Simple Man“ (herrliches Akustik-Slidespiel von Adam Steinberg), das melodische „With You“ (markantes E-Riff, sehr relaxt), das lockere „Drifting“ (mit einer an Bob Seger erinnernden Piano-Passage) und die countryeske Ballade „The Man That I Am“.

„The Right One“ kennt man vom letzten Album zusammen mit Joseph Parsons und wurde hier mit den Harmonies der zarten Lori McKenna, die ich auch schon mal live erlebt habe, differenziert, die beim starken Abschluss-Stück „You & Me“ erneut zum Einsatz kommt. Dazwischen gibt es mit dem recht rockigen aber relativ monotonen „Blue Skies Back“, dem balladesken „Stone I Can’t Roll“ und den zwei recht ähnlich gestalteten „Where Do You Go“ und „My Best“ eine für Thibaudsche Verhältnisse (noch) als Füllerphase einzustufendes Material.

Todd Thibaud ist mit seinem neuen Werk „Broken“ (übrigens im wunderschön in Pastellfarben gestalteten Klapp-Digipack mit Einsteck-Booklet mit allen Texten) insgesamt wieder große Singer/Songwriter-Kost, Americana-Style gelungen. Der Mann schreibt sympathische Stücke, die man immer wieder gerne hört, die sofort vertraut wirken, hohen Wiedererkennungswert besitzen und dessen brillante Texte gefangen nehmen. Gäbe es doch etwas mehr solch intelligenter Menschen in Amerika, hätte ein Barack Obama vermutlich deutlich geringere Probleme in seinem Land zu lösen. Da freut man sich schon jetzt, diesen Herrn im März wieder live erleben zu dürfen (siehe auch unsere Tourtermine). Dieser Todd Thibaud ist ein richtig Guter! Anschauen, bzw. Anhören Pflicht!

Blue Rose Records (2009)
Stil: Singer/Songwriter / Americana

CD 1: 
01. I Go On
02. Broken
03. Changing Now
04. Simple Man
05. With You
06. Drifting
07. Man That I Am
08. The Right One
09. Blue Skies Back
10. Stone I Can’t Roll
11. Where Do You Go
12. My Best
13. You & Me

CD 2:
01. All I Can Do
02. I Go On
03. Broken
04. Changing Now
05. Simple Man
06. With You
07. Drifting
08. Man That I Am
09. The Right One
10. Blue Skies Back
11. Stone I Can’t Roll
12. Where Do You Go
13. My Best
14. You & Me
15. Your Own Heart
16. Long Champlain

Todd Thibaud
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Blue Rose Records

Richard Murray – Desert Wind – CD-Review

Richard Murray, ein in Nordirland geborener, in London lebender Singer/Songwriter liefert mit „Desert Wind“ ein amerikanisch anmutendes Album ab, wie es amerikanischer eigentlich nicht sein kann. Murray, so ist es den spärlichen Informationen über ihn zu entnehmen, war bisher für diverseste Bands vornehmlich als Session-Musiker tätig, hat aber auch kompositorische wie auch produktionstechnische Erfahrungen gesammelt.

„Desert Wind“ ist sein erstes Soloprojekt, wobei naturgemäß Kompositionen, Produktion und das Spielen diverser Instrumente auf das eigene Konto gehen, ergänzt um einen relativ klein gehalten Teil von ihn unterstützenden Musikern. Die CD ist mit 13 Songs und einer Spielzeit von knapp siebzig Minuten recht umfangreich bestückt worden.

Geboten bekommt man einen sehr angenehmen Mix aus Country, manchmal mit dezentem Bluegrass-Touch und leichtem Tex-Mex-Flair, recht sparsam instrumentiert vorgetragenen (meist mit Akustikgitarre unterlegt), leicht rootsigen Singer/Songwriter-Stoff, zum Teil mit Storyteller-Ambition, aber auch ein paar unvermutet eingestreute, rockigere Songs, die aber allesamt mit recht schönen Melodien versehen sind. Hal Ketchum und Del Amitri sind im Groben die Orientierungs-Eckpfeiler, zwischen denen sich das Ganze im weitesten Sinne abspielt.

Murray weiß vor allem mit seiner unerhört angenehm ins Ohr fließenden (sehr amerikanisch klingenden) Stimme zu punkten (erinnert mich an die von John Kilzer), spielt aber auch vorzüglich Akustik- und E-Gitarre, sowie Mandoline. Ab und zu verliert sich noch eine Mundharmonika im einen oder anderen Lied, hervorragend aber auch die immer wieder dezent eingesetzten und gut passenden weiblichen Harmoniegesänge einer Dame namens Mandie Barnett.
Meine Favoriten auf einem durchgängig entspannt anzuhörenden Album sind das countryeske „Forgive Me Sera“ (mit Steel-Gitarre und Mandoline, leichtes Tex-Mex-Flair), das flockig instrumentierte „I’ll Never Learn“ (sogar fast ein wenig Mainstream-Country, E-Gitarren-, Orgelfills, Steel, sehr eingängig), das mit einem an Bruce Hornsby erinnernden, unterlegten Piano und einer langen E-Passage verzierten „Burning Silver“, das ebenfalls recht melodische „Midnight Oil“ (flottes Akustikgitarrenspiel, E-Fills, schönes Harmonika-Solo, Stimmungswechsel) und das rockige „Valley Of The Unforgiven“ (klasse E-Solo).

Und kurz vor Ende schüttelt Richard dann noch mit „DTs Roadhouse Shake“ einen furiosen, rhythmischen Countryrocker mit einer quäkigen Harmonika und klimperndem HT-Piano aus dem Ärmel, den selbst ein Dan Baird nicht hätte besser spielen können. Alles in allem hat der für mich bis dato völlig unbekannte Richard Murray mit „Desert Wind“ sehr positiv überrascht. Die CD-Gestaltung (inkl. Titelbild) wurde passend zum Titel in recht blassen, erdigen Gelb-, Grau- und Schwarztönen gehalten und beinhaltet alle Texte. Richard Murray ist zweifelsfrei der amerikanischste Nordire, der mir musikalisch bisher begegnet ist. Aus meiner Sicht ein sehr empfehlenswerter Musiker.

Eigenproduktion (2008)
Stil: Singer/Songwriter

01. Forgive Me Sera
02. Enlighten Me
03. Thinking Of Christina
04. Blueberry Wine
05. Down In This Town
06. 1931
07. I’ll Never Learn
08. Burning Silver
09. Midnight Oil
10. Wandering Infidel
11. Valley Of The Unforgiven
12. DTs Roadhouse Shake
13. The Wind And Rain

Richard Murray
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Hemifrån

The Naysayers – Some Other Place – CD-Review

The Naysayers bezeichnen sich als »The Best Band You Never Heard Of« und treffen mit diesem Statement mehr oder weniger auch bei mir ins Schwarze. Von den selbsternannten Pessimisten aus Portland, Oregon hatte ich bisher noch nie etwas gehört. Aber da der Fundus an guter und vor allem kreativ eigenständiger Rockmusik in Amerika schier unerschöpflich zu sein scheint, wundert mich das dann auch wieder nicht all zu sehr.

The Naysayers sind das Projekt von Rod Langdahl und Dennis Winslow, die, wie die Recherche ergab, bereits drei hoch gelobte Alben zuvor veröffentlicht haben, und auch auf reichhaltig Erfahrung in der Musik und nahe liegenden Sektoren zurückblicken können. So arbeiten z.B. beide eng zusammen mit dem Songplugger (eine Art Songvermittler) Chris Keaton speziell für die Nashville-Sparte, Winslow schreibt zum Teil Musik für Fernsehfilme und -Serien, Langdahl besitzt nebenbei eine Bühnenbaufirma, die dann auch besonders für Naysayers-Auftritte ausgefallene Ideen umsetzt und die Auftritte zu einzigartigen Erlebnissen werden lässt. Beide sind demnach auch für den Löwenanteil des Naysayers-Songwritings verantwortlich, zwei Tracks steuerte der zweite Gitarrist Bob Logue bei.

Das neue Album „Some Other Place“ macht von Beginn bis zum Ende Spaß und verbreitet eine durchgehende Wohlfühlatmosphäre. Sanft schmeichelnde Songs, mal etwas rootsig, mal etwas rockig, poppig oder countryesk (Banjo-, Dobro-, Harp- und Akkordeon-Einsätze) angehaucht, tolle Harmoniegesänge, die auch ein gewisses Westcoast-Espirit versprühen, laden zum Relaxen auf der Couch (im Winter) oder als Hintergrundmusik zum Grillen im heimischen Garten (im Sommer) ein. Von Tom Petty über Poco, Bo Deans, Firefall bis hin zu den Outlaws in frühen Zeiten als Bezugsgrößen, wird das komplette musikalische Wellness-Programm abgedeckt.

Mein persönliches Lieblingsstück ist „Fooling Myself“, das mit seiner tollen Melodie, den markanten Führungs-E-Riffs und dem Southern Rock-trächtigen E-Solo sicher schon jetzt in meine engere Wahl zum Song des Jahres einbezogen wird. Der einzige ganz kleine Wermutstropfen ist vielleicht, dass die sich abwechselnden Winslow und Langdahl nicht gerade Übersänger sind. Großartige Schmerzen bereiten sie aber auch nicht.

The Naysayers ist mit „Some Other Place“ letztendlich ein richtiges Americana-Ohrwurmalbum gelungen, dass besonders von Freunden eingängiger, moderner Melodien mit schönen Satzgesängen geliebt werden wird. Klasse! Wirklich hervorragend geeignet, um eine musikalische Bildungslücke zu schließen… !

Eigenproduktion (2008)
Stil: Americana

01. Any Way To Stay In Love
02. Happy To Be There
03. You Play Me
04. Heartprints
05. Never Before
06. Some Other Place
07. Women Whiskey & Me
08. Love On The Ground Floor
09. Fooling Myself
10. Slowly Turning
11. Nobody’s Hurting
12. You’re Still Smiling

MP Media

Wilco – Ashes Of American Flags – DVD-Review

Manchmal ist es als Online-Redakteur gut, seinen Intuitionen Folge zu leisten. So bei der Kult umwobenen Chicagoer Band Wilco, über die ich zwar schon viel gelesen habe (im Feuilleton der von mir abonnierten Tageszeitung werden oft Scheiben von ihnen und aus ihrem musikalischen Dunstkreis besprochen), an die ich mich trotz interessanter Kritiken aber nie so richtig herangetraut habe. Ihr Hang zu Klangexperimenten hatte mich immer davon abgeschreckt. Mittlerweile habe ich aber schon des öfteren mal Sachen aus dem Indie-, Roots- und Alternative Country-Bereich im Player liegen, so dass sich die Hemmschwelle deutlich verringert hat.

Jetzt erschien mir die Zeit reif zu sein, mich an ein Review heranzuwagen, als sich ihre neue DVD „Ashes Of American Flags“ in unserem Angebotstool befand. Ohne es wirklich zu wissen, hatte ich (eigentlich als Vertreter harmonischer Klänge) es ins Kalkül gezogen, dass sie gerade bei einer Live-Präsentation, den Geschrammel-Anteil vermutlich nicht allzu intensiv in den Vordergrund stellen würden. Damit sollte ich im Großen und Ganzen recht behalten.

Die DVD wurde an fünf verschiedenen Locations in fünf verschiedenen Staaten (Cain’s Ballroom, Tulsa, OK – Tiptina’s, New Orleans, LA – Mobile Civic Center, Mobile, AL – Ryman Auditorium, Nashville, TN – 9. 30 Club, Washington,DC) gefilmt. Veröffentlicht wurde sie in den Staaten am so genannten Music Store Day (18. April), der den vielen kleinen Plattenläden im Lande zu größerer öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen soll. Gerade Wilco-Frontmann Jeff Tweedy engagiert sich hier sehr stark, der (wie wir wohl alle) diese Läden quasi als Anlaufpunkt und Antriebsfeder für sich sah, sich mit Musik zu beschäftigen, bzw. auch aktiv zu betreiben.

Apropos Jeff Tweedy. Er steht ganz klar, trotz seiner hervorragend instrumentell agierenden Mitstreiter (vor allem der sich mit seiner eigenwilligen Schlagtechnik voll verausgebende Drummer Glenn Kotche, der unkonventionell spielende Lead-Gitarrist Nels Cline, Tweedy-Langzeit-Kumpel John Stirratt, Mikael Jorgensen und der vielseitige Pat Sansone), im Mittelpunkt dieser Dokumentation. Er wirkt in seiner juvenilen, dezent introvertiert wirkenden Charismatik schon jetzt wie eine geistesverwandte Mischung aus Johnny Cash, Van Morrison und Bob Dylan. Er besitzt neben seinen außergewöhnlichen Songwriterqualitäten eine in den Bann ziehende Stimme und Gestik. Dazu spielt er auch hervorragend Gitarre.

Das ausgewählte Songmaterial bietet schwerpunktmäßig einen Querschnitt ihrer letzten Alben „Sky Blue Sky“, „A Ghost Is Born“ und dem damals gefeierten „Yankee Hotel Foxtrot“ (Wilco kauften dem Label aufgrund strategischer Differenzen die Rechte für dieses Werk ab, um es dann mit großen Erfolg nach eigenen musikalischen Vorstellungen zu veröffentlichen). Die Musik ist über weite Phasen sehr eingängig und angenehm präsentiert (z.B. das soulige „Impossible Germany“ oder das beim Proben gefilmte, balladeske „Wishful Thinking“). Lediglich Clines manchmal kreischend gespielte Solopassagen (u.a. bei „Handshake Drugs“) und einige Synthie-unterstützte, psychedelisch anmutende Momente („Side With Seeds“, „Via Chicago“) unterbrechen die vorwiegend im Vordergrund stehende musikalische Harmonie (in einem zeitlich aber vertretbaren Rahmen).

Komischerweise gefällt mir der Extrateil sogar noch besser als der Hauptpart, weil hier die Countrynote doch ein wenig deutlicher in den Vordergrund gerückt wird. Bei „I’m The Man Who Loves You“ darf man sich an einem Honky Tonk-Piano erfreuen, beim Steel-untermalten „It’s Just That Simple“ erhält Basser John Stirratt Gelegenheit, seine gesanglichen Qualitäten und auch sein Akustikgitarrenspiel unter Beweis zu stellen (Tweedy bedient dafür im Gegenzug den viersaitigen Tieftoner). Auch Bläsereinsätze (wie bei „The Late Greats“ und „Hate It Here“) sind durchaus mit Wilco-Stücken wunderbar in Einklang zu bringen (passender Weise in New Orleans mit eingebracht).

Fazit:  Das von Brendan Canty und Christoph Green gefilmte Wilco-Dokument „Ashes Of American Flags“ macht beim Anschauen (u.a. auch noch mit atmosphärischen Landschafts- und Städteimpressionen, sowie einigen Statements und Backstage-Aufnahmen der Musiker aufgepeppt) und vor allem beim Zuhören großen Spaß. Nicht nur der brillante Klang weiß zu überzeugen, auch die Songauswahl und ihre interessante musikalische Umsetzung begeistert. Im Gegensatz zu vielen anderen Acts kann der Rezensent (auch Tweedys Ausstrahlung sei Dank) den Kultstatus von Wilco mittlerweile gut nachvollziehen. Ein wirklich beeindruckender Konzertfilm über eine extravagante Band! Klasse!

Nonesuch Records (2009)
Stil: Rock / Alternative Country

01. Ashes Of American Flags
02. Side With The Seeds
03. Handshake Drugs
04. The Late Greats
05. Kingpin
06. Wishful Thinking
07. Impossible Germany
08. Via Chicago
09. Shot In The Arm
10. Monday
11. You Are My Face
12. Heavy Metal Drummer
13. War On War

Extras.
14. I’m The Man Who Loves You
15. Airline To Heaven
16. It’s Just That Simple
17. At Least That’s What You Said
18. I Am Trying To Break Your Heart
19. Theologians
20. Hate It Here

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Eileen Rose & The Holy Wreck – Luna Turista – CD-Review

Eileen Rose & The Holy Wreck, die in meinem musikalischen Spektrum bisher unter der Kategorie ‚Unbekannt‘ firmierten, erlangten meine Aufmerksamkeit, als ich neulich das Programm meines Lieblingsclubs Karo in Wesel studierte. Dort tritt die Dame mit ihren Begleitmusikern Rich Gilbert (Guitars, Pedal Steel, Keyboards) und Nate Stalfa (Drums) am 30.10. 2009 im Rahmen einer Tour durch diverse deutsche Städte auf, Grund genug also, sich etwas näher mit ihr zu beschäftigen, zumal das Karo eigentlich immer einen Garanten für gute Musik darstellt.

Wie der Zufall es wollte, fand ihr aktueller Silberling „Luna Turista“ (ihr bereits fünftes Werk) noch am gleichen Tag in mir einen dankbaren Abnehmer. Eileen Rose stammt aus dem amerikanischen Boston, hat aber nach einem abgebrochenem Jura-Studium für längere Zeit in England gelebt und dort eigentlich auch ihre musikalische Karriere begonnen. Mittlerweile ist sie in die Staaten zurückgekehrt und lebt dort in ihrer neuen Wahlheimat Nashville, Tennessee.

Auch wenn „Luna Turista“ (die Inspiration des Titels rührt übrigens daher, als Eileen in Italien in einer wunderschönen mondklaren Nacht als Support von Joe Ely auftrat) zu Großteilen im Country verankert ist, hat das Ganze mit dem in Music City alles beherrschenden und angesagtem Mainstream äußerst wenig am Hut und ist letztendlich kaum exakt zu kategorisieren.

Das liegt vor allem im doch recht unkonventionell wirkenden Zusammenspiel ihrer ziemlich außergewöhnlichen Stimme (teilweise von maskulin bis piepsig variierend) und einem recht traditionell ausgelegten Countrystoff mit viel Steel, Fiddle und E-Bariton-Klängen („Trouble From Tomorrow“ – ein fröhlicher Waltz, „Luckenbach Texas“ ein Schwofer im Duett mit Gastmusiker Joshua Hedley als Hommage an Waylon Jennings, Willie Nelson und Hank Williams, das rhythmische „Why Am I Awake?“), das aber auch immer wieder sporadisch in Roots Rock/Pop-Gefilde („Strange“ – Petty-mäßig, das sehr emotionale, an „Please Forgive Me“ von Melissa Etheridges „Skin“-Album erinnernde „The One You Wanted“) abdriftet.

Eine sehr eigenwillige, manchmal auch nicht einfach zu hörende („Third Time’s A Charme“ – mit teilweise sehr monotonen Refrainpassagen, „Silver Ladle“ – ziemlich schräger Gesang) Mischung also. Klasse der recht flott, dezent punkig abgehende, mit Harp-Einlagen bestückte Opener „Simple Touch Of The Hand“ und das finale „All These Pretty Things“, bei dem plötzlich im Mittelteil schwere, wie im Desert-Rock typische, Gitarrengeschütze aufgefahren werden.

Mit „Luna Turista“ ist Eileen Rose & The Wreck ein unbestritten eigenwilliges Werk gelungen, das vor allem seine Sympathie daraus schöpft, unbeirrt aller Trends, konsequent und unbiegsam einer eigenen Linie zu folgen. Für meine, eher der Eingängigkeit frönenden und nicht unbedingt traditionellen Country bevorzugende Gehörgänge, teilweise allerdings etwas anstrengend. Ich vermute mal, dass sie aller Voraussicht nach hauptsächlich in der weiblichen Gemeinde ihre Anhängerschaft finden wird. Im Prinzip müsste so was Ähnliches rauskommen, wenn Lucinda Williams, Melissa Etheridge, Reba McEntire, Emmylou Harris, Patti Smith und Kate Bush sich zu einem imaginären gemeinsamen CD-Projekt zusammenfinden würden. Alles klar?

Floating World Records (2009)
Stil: Country Rock

01. Simple Touch Of The Hand
02. Sad Ride Home
03. Trouble From Tomorrow
04. Third Time’s A Charme
05. Silver Ladle
06. Luckenbach Texas
07. Strange
08. Why Am I Awake?
09. The One You Wanted
10. All These Pretty Things

Eileen Rose & The Holy Wreck
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