Waylon Jennings – Songbird – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Outlaw-Country hätte ohne Waylon Jennings sicherlich nicht die Wirkungen auf die nachfolgenden Generationen erzielt, wie er es tat. Jennings veröffentlichte mehr als vierzig Alben und fast hundert Singles. Sechszehn Nummer-1-Hits und die ersten Millionenverkäufe in der Country-Sparte gehen auf sein Konto.

Dies bescherte ihm eine gewisse künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit von Plattenfirmen. Er und seine Musik entsprach sicherlich nicht den Gepflogenheiten früherer Country-Stars. Ein Geheimnis seines Erfolgs besingt er im Chorus von „The Cowboy“: But the cowboys they still come to see me / And the hippies all gather around / When I sing of my life in the city, / With roots in a small Texas Town.

Jennings gelang es, scheinbare Gegensätze aufzulösen. Country-Fans hielt er mit seiner Musik bei der Stange und machte darüber hinaus Country mit neuen Themen für weitere Hörerkreise interessant. Die 1970er stellen die Hochphase seiner Karriere dar. Jährlich brachte Jennings ein Album heraus.

Neben den Tourneen schrieb er unermüdlich Songs und nahm diese auf. Shooter Jennings sichtete nun, mehr als zwei Dekaden nach dem Tod von Waylon, das umfangreiche Archiv seines Vaters. Dieses erwies sich als wahre Fundgrube, sodass Shooter plant, drei Alben aus dem Nachlass zusammenzustellen, von denen „Songbird“ den Aufschlag macht.

Die für den Longplayer ausgewählten Aufnahmen sind zwischen 1973 und 1984 in diversen Studio entstanden. Jessi Colter, Tony Joe White sowie Mitglieder von The Waylors sind auf ihnen zu hören. Shooter Jennings nahm sich die alten Aufzeichnungen mit Unterstützung des Toningenieurs Nate Haessly vor. Er trommelte Gordon Payne, Jerry Bridges sowie Barny Carter Robertson zusammen, die ehemals bei den Waylors mitspielten, um den Originalen noch Feinheiten hinzuzufügen.

Damit der Sound möglichst authentisch bleibt, mischte Shooter das ursprüngliche Material mit den neuen Einspielungen analog ab. An der Soundqualität ist nichts auszusetzen. Hier macht sich Shooters Erfahrung als Produzent beispielsweise von American Aquarium, The Turnpike Troubadours oder Charley Crockett bezahlt.

Shooter Jennings sagt, dass die Aufnahmen nahezu fertig gestellt waren und über reine Demos hinausgehen. Bei einigen Titeln zeigt ihr Ende allerdings, dass sie noch nicht ganz vollendet waren. Das fällt mal mehr oder weniger auf.

Einen relativ abrupten Abschluss finden „I’m Gonna Lay Back“ oder „I Hate To Go Searching“. Gleiches trifft auf „After The Ball” zu, das ansonsten mit einem schönen Bar-Piano aufwartet. Die Stücke bewegen sich im Midtempo wie das runde „Wrong Road Again“ oder sind balladesk gehalten wie „Brand New Tennessee“, das unter den langsamen Tracks hervorsticht.

Einen Höhepunkt des Albums stellt „Songbird“ dar. Shooter engagierte für das Fleetwood Mac-Cover Elizabeth Cook und Ashley Monroe als Background-Sängerinnen. Wenn nach dem Tod von Musikern deren Aufnahmen auftauchen, handelt es sich nicht selten um lieblos zusammengestellte und soundtechnisch oft fragwürdige Werke, mit denen schnelles Geld gemacht werden soll.

Etwas anders verhält es sich, wenn an der Produktion und Herausgabe Personen beteiligt sind, die eine enge Verbindung zu den Künstlern hatten. Ich denke beispielsweise an Mike Campbell, der Tom Pettys Material rund um „Wallflowers“ editierte. Viel Arbeit und Hingabe wurden da investiert.

So verhält es sich auch bei „Songbird“. Shooter Jennings haucht mit „Songbird“ dem Vermächtnis seines Vaters Waylon neues Leben ein. Als musikhistorisches Dokument ist das Album ohne Frage wertvoll. Ob die Veröffentlichung dazu führt, dass sich bei einem jüngeren Publikum der Kreis der Hörer des Outlaw-Country erweitert, bleibt offen. Vielleicht trägt es dazu bei, dass sich Musikschaffende auf Waylon Jennings als Referenzpunkt besinnen. Insofern schwingt bei aller Nostalgie ein Funken zukunftsorientierter Optimismus mit.

Son Of Jessi/Thirty Tigers – Membran (2025)
Stil: Country

Tracks:
01. Songbird
02. The Cowboy
03. I’d Like To Love You Baby
04. I’m Gonna Lay Back
05. Wrong Road Again
06. I Hate To Go Searching
07. Brand New Tennessee
08. I Don’t Have Any More
09. After The Ball
10. Gone Again

Waylon Jennings
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