Skinny Lister – Shanty Punk – CD-Review

Review: Michael Segets

Woody Allen lässt eine seiner Filmfiguren mal sinnieren, dass sie gestern noch glücklich war, dies aber nicht wusste. Das zu genießen, was man hat und die vergönnten Augenblicke zu leben, ist die zentrale Massage von „Mantra“, der zweiten Singleauskopplung von Skinny Listers „Shanty Punk“. Lorna Thomas singt diesen lockeren, sofort ins Tanzbein gehenden Country-Song in Verneigung vor Dolly Parton. Mit seiner entspannten Wohlfühlatmosphäre schert er aus der Riege der anderen Tracks aus. Diese folgen dem durch den Albumtitel abgesteckten Spannungsfeld von Shanty und Punk.

Die Kombination aus Irish Folk mit Rock- oder Punkelementen funktioniert bei Skinny Lister hervorragend, zumal die Band einen variantenreiche Mix vorstellt. Da sind auf der einen Seite die Seemannslieder: Bei „Haul & Bale“ stimmt Frontmann Daniel Heptinstall einen Wechselgesang mit dem Chor an; bei „13 Miles“ gibt es nur Rhythmus und die Stimmen der Seebären. Man möchte spontan auf einem Kahn anheuern und zu den Tauen greifen.

Auf der anderen Seite stehen die Nummern, die eine Verbindung zum Punkrock nicht verleugnen können: „Down On The Barrier“, „Arm Wrestling In Dresden“ und – wiederrum mit den Lead Vocals von Lorna Thomas – „Pittburgh Punch Up“. Insgesamt präsentiert sich Skinny Lister in dieser Hinsicht aber etwas gemäßigter als die ebenfalls aus London stammende Band The Lagan, die kürzlich in der Kulturrampe gastierte.

Beim Celtic Punk drängt sich natürlich ein Vergleich mit The Pogues auf. Die Nähe zu der Band um Shane MacGowan zeigt sich bei der ersten Single „Company Of The Bar“ und noch deutlicher bei dem galoppierenden „Unto The Breach“. Im Gegensatz zu den Dropkick Murphys oder Flogging Molly bleibt Skinny Lister auf „Shanty Punk“ tendentiell näher am Folk. Dies belegen „Forge On George“ und vor allem der Song um den kriminellen Lebemann „William Harker“.

„Shanty Punk“ birgt viele Augenblicke, die es zu genießen lohnt. Angefangen bei „Haul & Bale“ über „Unto The Breach“, „Mantra“ und „Pittburgh Punch Up“ bis hin zur abschließenden, kraftvollen Ballade „Broken, Bruised And Battered“, bei der nochmals Thomas am vorderen Mikro steht, finden sich gelungene Titel aus Shanty, Rock, Country, Punk und Folk. Mit Ausnahme des Country-Stücks verbindet alle der eigene Klang der keltischen Musik mit Fidel und mehrstimmigen Gesängen.

„Shanty Punk“ ist eine abwechslungsreiche Sache, nicht zuletzt durch die wechselnden Lead Vocals von Daniel Heptinstall und Lorna Thomas. Skinny Lister versprühen mit ihrem keltischen Folk-Rock Energie, egal ob sie sich am Shanty, Punk oder gar Country bedienen.

Xtra Mile Recordings (2023)
Stil: Folk-Rock, Celtic Punk and more

Tracks:
01. Haul & Bale
02. Unto The Breach
03. Company Of The Bar
04. Mantra
05. 13 Miles
06. Down On The Barrier
07. Arm Wrestling In Dresden
08. Pittburgh Punch Up
09. Forge On George
10. William Harker
11. Broken, Bruised And Battered

Skinny Lister
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Xtra Mile Recordings
Oktober Promotion

The Lagan – 20.08.2023, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Das Wetter passt nie. Mal ist es zu nass, mal ist es zu warm. War die Kulturrampe zu Beginn des Konzerts noch angenehm temperiert, heizte sie sich sehr schnell auf und der Leadsänger von The Lagan, Brendan O’Prey, versicherte während des Auftritts beinah glaubhaft, dass er noch nie so geschwitzt hätte. Trotz der sommerlichen Temperaturen sind der Einladung zum Tanztee eine Vielzahl von Krefeldern gefolgt, sodass sich Markus und Annette nicht nur über ein gut gefülltes Haus, sondern auch über den Getränkeumsatz freuen durften, zu dem die Bandmitglieder das Ihre beisteuerten.

Kurz nach 17 Uhr versammelten sich die Besucher im Saal und folgten über siebzig Minuten einem temporeichen Set der Band aus London. Zu bemerken ist, dass der übliche Altersschnitt der Rampengänger durch einige junge Besucher, die vernünftigerweise mit Mickey-Maus-Ohrschutz ausgestattet waren, deutlich gesenkt wurde. Der Ohrschutz erwies sich auch als erforderlich, da es The Lagan richtig krachen ließen.

In der Tradition von The Pogues , Shane McGowan & The Popes oder Dropkick Murphys bot das Quintett Celtic Rock in Reinform, gewürzt mit einer Prise Punk. Entsprechend prägten Andrew Stanley mit seiner Geige und Andrew Maclean mit der Tin Whistle den Sound der Band. Sänger O‘Prey verfügt über das passende Organ, wobei von den mehrstimmigen Chorgesängen, die für den irisch angehauchten Rock typisch sind, ausgiebig Gebrauch gemacht wurde.

The Lagan verstehen sich in erster Linie als Liveband, daher schauen sie erst auf zwei Veröffentlichungen zurück. Am Anfang des Konzerts standen einige Stücke ihres Debüts „Where’s Your Messiah Now? (2013) auf dem Programm. Auf meinen Favoriten des Longplayers „Staring The Devil In The Eye“ folgten „Sailin‘ East“ und „Star Of The County Down“. Das den Temperaturen angemessene „Sunny Dry In Southie” und „I’ll Tell Me Ma” standen ebenfalls auf der Setlist.

Im Mittelteil des Auftritts gab es einige Traditionals beziehungsweise Coverversionen wie die von „The Maid Behind The Star Of Munster“, „Fisherman’s Blues“ oder „Hills of Donegal“. Insgesamt hätte das eine oder andere langsamere Stück noch eingefügt werden können, sodass etwas mehr Variation in die Darbietung gekommen wäre. Das Publikum war aber dankbar, dass der Auftritt straight durchgespielt wurde, um so dem Glutofen zu entkommen. O’Prey trat mehrmals mit dem Publikum in direkten Kontakt, wobei der Flüssigkeitsverlust und die Flüssigkeitszufuhr zentrales Thema waren – so wie man es von einer englischen Band, die es mit waschechtem irischen Punk-Rock aufnimmt, erwartet.

Im letzten Teil des Konzerts stellten The Lagan mit „Let’s Do It Again“ und „A Song For Jim“ noch zwei Titel von ihrer EP aus dem Jahr 2018 vor. Den Abschluss des Hauptteils bildete danach die starke Single ihres ersten Albums „Same Shite, Different Night“. Höhepunkt war aber die Zugabe „Home For A Rest“, das mit einem scharfsinnigen Text, der den eigenen Alkoholgenuss reflektiert, punktete.

So neigte sich ein feuchtfröhlicher Nachmittag dem Ende zu. The Lagan können auf ein gelungenes Finish ihrer Europatour zurückblicken. Nachdem die Band den Tour-Bus beladen hatte, gönnte sie sich noch einen Absacker mit dem Publikum, das sicherlich nicht bereute, die dunkle Kulturrampe zeitweise dem schönen Wetter im Freien vorgezogen zu haben.

Wer die eigene Atmosphäre des Tanztees unter der Federführung von Markus und Annette nochmal genießen möchte, hat die Möglichkeit, Bywater Call am 22. Oktober zu besuchen.

The Lagan
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Kulturrampe Krefeld