Tony Joe White – Rain Crow – CD-Review

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Die über 50 Jahre währende Musiker-Karriere des nun bald 73-jährigen Tony Joe White habe ich irgendwie fast komplett verschlafen. Klar kannte ich ein paar Stücke ihm, wie das durch Elvis zu meinen Kinderzeiten gecoverte „Polk Salad Annie“, sein berühmtes „Rainy Night In Georgia“ (bekannt auch durch Ray Charles) oder die Sachen, die er für Tina Turner auf deren „Foreign Affairs“ (u. a. „Steamy Windows“) geschrieben hatte, da ich dieses Werk nun mal auch besitze.

Mein richtiger Einstieg begann eigentlich erst ganz spät mit seiner „Hoodoo“-Scheibe vor knapp drei Jahren, die mich mit ihrem relaxten, kauzigen, fast hypnotischen Swamp Blues Rock direkt auf seine Seite zog. Da ich auch schon immer an eigenbrötlerischen authentischen Typen wie J.J. Cale & Co. Gefallen gefunden habe, war White mir natürlich sofort sympathisch. Bei ihm frage ich mich mittlerweile beim, in seinen Songs verankertem ‚Gesangs‘-Stil andauernd, wo hier das Sprechen aufhört und wann das Singen anfängt. Einfach klasse, wie er seine Stücke da so vor sich ‚hingrummelt‘.

Seine neue CD „Rain Crow“ knüpft im Prinzip mit dem Opener „Hoochie Woman“ nahtlos an das Vorgängerwerk an. Die beiden Silberlinge fließen quasi ineinander über. Die meisten Tracks verlaufen stoisch nach gleichem Schema: Strat-E-Gitarre in Bariton-Sphären, knöchrig pumpender Bass (Steve Forrest) und gemäßigte Drums/Percussion geben in einer, nach Endlosschleife anmutenden Gangart den Rhythmus vor, ab und zu hallt und gurrt eine Orgel (Tyson Rogers) dazwischen. Dazu betreibt Tony Joe sein hölzernes Storytelling, das wohl jeden engagierten Gesangslehrer, schon nach kürzester Zeit, auf die Palme bringen würde. Wenn der Meister dann mal nach Abwechslung dürstet, lässt er bei Stücken wie z. B. dem Titeltrack „Rain Crow“, „Conjure Child“ oder dem finalen „Tell Me A Swamp Story“ eine Harp aufplustern und quäken, oder setzt zu ein paar E-Fills bzw. surrendem E-(Slide) Soli an.

Die markantesten Momente des Werkes ergeben sich bei Liedern wie „Opening Of The Box“, bei dem Schlagzeuger Bryan Owings aus dem Relax-Groove-Modus plötzlich in ein für White-Songs schon fast ungewöhnliches Uptempo-Polter-Drumming übergeht, was Tony Joe aber keineswegs auch zu einer Erhöhung des (Sprech-) Gesangstempos animiert. Wirkt schon fast antizyklisch. Trotzdem passt es. Klasse gemacht!

Das wohl größte Potential, mal wieder von einem der wenigen großen, übrig gebliebenen Rockmusiker gecovert zu werden, hat „Right Back In The Fire“, bei dem White sogar sichtlich auch mal um etwas Gesang bemüht ist. Das Lied könnte meines Erachtens für Interpreten wie z. B. Springsteen, Clapton, Knopfler oder auch Bono/U2 durchaus mal eine überlegenswerte Sache sein. Stark auch die an J.J. Cale reminiszierenden Tracks wie „The Bad Wind“ oder das ebenfalls recht melodische „The Middle Of Nowhere“ (geschrieben mit Billy Bob Thornton).

Produziert hat „Rain Crow“ übrigens Tony Joe Whites Sohnemann Jody. Der sau-coole bluesige, schön ausgesteuerte Relax-Groove nimmt einen sofort gefangen, sofern man sich darauf einlassen mag. Eine typische Scheibe, mit der man Alligatoren in den Swamps, oder falls sie mal bei einem im Garten auftauchen sollten, glatt hypnotisieren könnte. Sehr eigenwilliger, aber auch extrem guter Stoff!

Yep Roc (2016)
Stil: Swamp Blues Rock

01. Hoochie Woman
02. The Bad Wind
03. Rain Crow
04. The Opening Of The Box
05. Right Back In The Fire
06. The Middle Of Nowhere
07. Conjure Child
08. Where Do They Go
09. Tell Me A Swamp Story

Tony Joe White
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