
Review: Hans-Joachim Kästle
Nach einem Auftritt mit John Mayall habe ich Walter Trout im Mai 1999 in der Freiburger Blueskneipe „Blue Monday“ (die es leider längst nicht mehr gibt) zum ersten Mal mit eigener Band gesehen – und er hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Dies umso mehr, weil schon der junge Aynsley Lister, damals 22 Jahre alt, weit mehr war als nur ein Support, den man halt aushalten musste. Danach legte Walter Cooper Trout einen explosiven Auftritt hin.
Im Programmheft war der in Ocean City, New Jersey, geborene Gitarrist so angekündigt worden: „Sein Gitarren-Sound kann es problemlos mit dem eines Eric Clapton oder Gary Moore aufnehmen, und seine raue Stimme liefert sich ein hartumkämpftes Duell mit seinem Spiel.“ Auch über ein Vierteljahrhundert später hat sich daran nichts geändert – außer dass jetzt mehr Leute zu seinen Konzerten kommen und die CD-Verkaufszahlen gestiegen sind.
Nun also liegt sein neues Werk „Sign of the times“ vor, auf dem Trout einmal mehr auch seinem Ruf gerecht wird, ein scharfer und kritischer Beobachter eben jener Zeichen der Zeit zu sein, mit denen er gnadenlos abrechnet. „Ich wollte über das nachdenken, was in der Welt vor sich geht. Für mich ist das Schreiben dieser Songs eine Therapie“, sagt der 74-Jährige und fügt an: „Dieses Album ist ziemlich leicht entstanden. Ich hatte so viele Songideen.“ Klar, bei dem ganzen Irrsinn in der Welt.
So wirft er gleich beim ersten Song „Artificial“ einen ebenso satirischen wie verächtlichen Blick auf das, was man unter Künstlicher Intelligenz versteht, und singt von künstlichen Gefühlen, künstlichem Verstand, künstlichem Glück, künstlicher Freundlichkeit und kommt zu dem Schluss: „Ich kann nicht mehr sagen, was echt ist.“ Beim bewusst schon fast experimentellen Titelsong wird’s dann deftig. Er klingt gewollt eher disharmonisch mit düsterem Chorgesang. „Ich wollte, dass es dissonant ist. Dissonanz ist ein Zeichen der Zeit“, erklärt Trout. Sagen wir’s mal so: Das Ding ist leicht gewöhnungsbedürftig.
Zur Abwechslung gibt’s dafür die balladenhafte Akustik-Nummer „Mona Lisa, Smile“ mit Akkordeon, Mandoline und Geige oder „Too Bad“, eine bluesige Hommage an Sonny Terry und Brownie McGhee, bei der die Mundharmonika den Ton angibt. Somit kommt auch die softere Seite des Meisters nicht zu kurz. „I Remember“ geht mehr in Richtung Roots Rock, während „Hurt No More“ ein knochentrockener Rocker ist.
Auf dem letzten der zehn Stücke lässt es der 74-Jährige noch einmal so richtig krachen: „Ich wollte einen Song schreiben, der fast wie The Who klingt, wenn sie Hendrix an der Gitarre hätten.“ Er verabschiedet sich mit Textzeilen wie dieser: „Menschlichkeit und Würde/Ich sitze da und schaue zu, wie sie langsam sterben.“ „Sign Of The Times“ ist ein erneut starkes Statement eines außergewöhnlichen Künstlers!
Label: Provogue Records (2025)
Stil: Blues, Blues Rock
Tracks:
01. Artificial
02. Blood On My Pillow
03. Sign Of The Times
04. Mona Lisa Smile
05. Hurt No More
06. No Strings Attached
07. I Remember
08. Hightech Woman
09. Too Badh
10. Struggle To Believe
