John Primer – Grown In Mississippi – CD-Review

Blues ist nun mal Blues. In diesem speziellen Genre herrschen ganz eigene Gesetze, den Hardlinern, mittlerweile überwiegend schon im gesetzten Alter, kann es vermutlich oftmals nicht traditionell genug sein.

In dieser Hinsicht wird John Primers aktuelle CD „Grown In Mississippi“ (nach dem Anhören scheue ich mich wirklich schon fast das Wort ’neue‘ in den Mund zu nehmen) ein einziges Freudenfest sein. Er huldigt hier seine heimatlichen Wurzeln (er hat ja den Anfang seines Lebens in Camden, MS, verbracht, bis er mit seiner Mutter irgendwann nach Chicago ausgewandert ist) auf eine Art und Weise, wie sie ursprünglicher eigentlich nicht mehr sein kann.

Es ‚deltabluest‘ an allen Ecken und Enden, Liebhabern der Szene wird allein beim Lesen der involvierten Musiker (wie u. a. Bobby Rush, Charlie Musselwhite, Watermelon Slim, Eden Brent, Lightnin‘ Malcolm, Gary Vincent, Deak Harp, Rickey ‚Quicksand‘ Martin, Steve Bell, Rosalind Wilcox) und Songschreiber der Fremdkompositionen (u. a. Willie Dixon, Joseph Lee Williams, Jimmy Reed) vermutlich schon das Herz aufgehen. „Beim gospeligen „Lay My Burdens Down“ ist Tochter Aliya mit von der Partie und sorgt stimmlich für etwas Abwechselung.

Da ist wirklich alles aus dem Textbausteinkatalog des Genres wie „I woke up in the morning“, I was born in Mississippi“ oder „…and my baby is gone“, etc. vorhanden, und selbst mir kommt jede Melodie, jedes Riff, jede Hook und jedes Solo vor, als wenn ich sie schon zum tausendsten Mal gehört hätte. Engagierte Hobby-Plagiatsjäger, sofern es die in diesem Sektor gibt, hätten vermutlich, auch bei Primers Eigenkreationen, die nächsten Wochen Dauerbeschäftigung.

Somit liegt Authentizitätsfaktor bei satten 100 Prozent, der innovative Wert geht gen Null. Für mich persönlich (und ich erlaube mir diesen Kommentar, auch wenn mich die Blues-Hardliner dafür wahrscheinlich Teeren und Federn mögen werden), hört sich das Ganze am Ende an, als wenn der Protagonist zuhause aus einer 60-jährigen Amnesie gerade erwacht wäre und von dort aus direkt ins Aufnahmestudio gefahren ist.

Fazit: Wer auf so einen ur-traditionellen Blues-Stoff im Delta-Ambiente (mit viel nöhlender Harp) steht, für den ist John Primers „Grown In Mississippi“ ein absolutes Muss.  Für ihn als Musiker vom Mississippi ist dies mit Sicherheit eine wichtige Vergangenheitsbewältigung, für den Mann vom Rhein eher eine überflüssige Geschichte…

Label: Blues House Productions
Stil: Blues

01. John’s Blues Holler
02. Born In Mississippi
03. Blues Before Sunrise
04. Down In the Bottom
05. Walkin‘ Blues
06, Nothin‘ But A Chicken Wing
07. A Better Day
08. When I Met The Blues
09. Baby Please Don’t Go
10. Let Me Be Your Electrician
11. Shame Shame Shame
12. Lay My Burdens Down
13. Ain’t Kickin‘ Up No Dust
14. John’s Crawdad Song

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John Primer – Hard Times – CD-Review

Review: Jörg Schneider

John Primer, inzwischen 76 Lenze zählend, ist sicherlich einer der letzten echten Chicagoblueser. Aber erst 1995 gründete er seine erste eigene Band, die Real Deal Blues Band. Bis dahin spielte er in verschiedenen Gruppen und war sogar Bandleader bei Jr. Wells, Muddy Waters und Magic Slim.

Mit seinem, 13 traditionelle Chicago-Blues-Songs, umfassenden neuen Album „Hard Times“ bezieht er sich nun auf die aktuell nicht nur coronabedingten schwierigen Zeiten. Seine Songs, so sagt er, sollen dabei helfen, besser durch diese Zeiten zu kommen und Primer verbindet damit auch die Hoffnung auf Unterstützung zur Rettung des legendären Chicagoer Bluesclubs „B.L.U.E.S.“, der seit Ausbruch der Corona-Pandemie geschlossen ist.

An dieser Stelle sei auch ein großes Lob an den Fotografen Eric Kriesant gerichtet, der wunderbar nostalgisch anmutende Fotos für das Album in eben diesem Club geschaffen hat.

Aufgenommen hat John Primer sein Album zusammen mit seinen Jungs von The Real Deal Blues Band (Steve Bell – Mundharmonika, Lenny Media – Schlagzeug, Dave Forte – Bass) in den Chicagoer RaxTrax Studios unter Beteiligung einiger Gastmusiker (Rick Kreher – Rhythmusgitarre, Johnny Iguana – Piano).

Außerdem ist Primers 17-jährige Tochter Aliya mit von der Partie, sie singt den Slowblues „Tough Times“. Dafür, dass es ihre erste Studioaufnahme ist, schlägt sie sich sogar ganz ordentlich, auch wenn da stimmlich sicherlich noch Luft nach oben ist. Aber sie steht ja noch am Anfang ihrer Karriere.

„Don‘t Wait Too Long“ ist ein gemütlich groovender Shuffle und in dem traditionellen nach Deltablues riechenden Stück „Hard Times“ (ebenso teilweise in „Blues-Blues-Blues“) beweist Primer, dass er auch die Slidegitarre perfekt beherrscht. Alle übrigen Songs (bis auf die beiden ruhigen Blues-Nummern „Trying To Make You Mine“ und „Hot Meal“) kommen alle Tracks gut gelaunt, energiegeladen und fröhlich daher. Auf Tanzflächen werden Mann und Frau sich dazu gern bewegen.

John Primer hat sämtliche Titel selbst geschrieben, Coversongs gibt es also nicht. Sein sauberes Gitarrenspiel, in dem er wohltuender Weise auf Akkorde verzichtet, steht immer im Vordergrund. Aber auch Johnny Iguana erweist sich immer wieder als Meister am Piano. Seine ungezähmte Spielfreude reißt buchstäblich mit. Und auch Steve Bell weiß mit der Mundharmonika zu gefallen.

Unter dem Strich überzeugt „Hard Times“ durch überwiegend echte Old-School Chicago-Blues-Tracks aus der Blütezeit dieses Genres. Es macht einfach nur Spaß sich diese Scheibe reinzuziehen und sich dabei in vergangene Zeiten mit z. B. Paul Butterfield oder Muddy Waters entführen zu lassen.

Label: Blues House Productions
Stil: Blues

Tracks:
01. You Got What I Want
02. Don‘t Wait Too Long
03. Hard Times
04. Blues – Blues – Blues
05. I Won‘t Sweat
06. Chicago
07. Tough Times
08. All Alone
09. My Sugar Mama
10. You Mean So Much To Me
11. Trying To Make You Mine
12. Hot Meal
13. Whiskey

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