Rockie Lynne – Same – CD-Review

Einer der in Nashville ganz heiß gehandelten Newcomer ist Rockie Lynne, der nun, und das direkt auf einem Major-Label, sein Debüt abgeliefert hat. Lynne wuchs, streng religiös erzogen, in North Carolina auf. Erste musikalische Erfahrungen erwarb er in einem Jazz-Ensemble auf der Highschool. Danach begann er in verschiedenen Bands zu spielen. Nach dem Militärdienst folgte eine fundierte Gitarrenausbildung an einer Akademie in Los Angeles. Es folgt die Bekanntschaft mit dem Entertainer Mike Shane, der Rockie für diverse Aufnahmen mit nach Nashville begleitet.

Lynne nimmt einige Engagements in Country Touring-Bands an und verbleibt einige Jahre in Music-City. Mitte der Neunziger Jahre beginnt er sich auf seine Solo-Aktivitäten zu konzentrieren und geht aufgrund der zentralen geografischen Lage nach Minnesota, wo er sich mit ein paar in Eigenregie erstellten CDs und zahlreichen Live-Auftritten eine große Anhängerschaft aufbaut. Eines Abends wird er bei einem Gig vom Warner Brothers Marketing Mitarbeiter Bruce Larson begutachtet, der sofort eine CD an den Präsidenten von Universal Records schickte.

Die Vertragsunterzeichnung war dann nur noch Formsache. Für seinen Erstling wurden zwölf Stücke ausgewählt, die Rockie bereits zwischen 2002 und 2005 in Kooperation mit diversen Songwritern oder alleine komponiert hatte. Wie für ein Major-Label üblich, wurde ihm natürlich ein exzellentes Musikerpotential, wie u. a. Billy Panda, John Willis, JT Corenflos, Chris Leuzinger, Steve Nathan, Paul Franklin, Greg Morrow, Aubrey Haynie, zur Seite gestellt. Rein äußerlich einer Mischung aus Keith Urban und Jon Bon Jovi ähnelnd, könnte man vielleicht eine recht wilde, country-pop-rockige musikalische Gangart vermuten. Aber weit gefehlt, Rockie Lynne fühlt sich, zumindest auf seinem Debüt, in mehr traditionellen Country-Bahnen mit gemäßigtem Tempo zuhause, wobei er aber durchaus geschickt auch mal den ein oder anderen rockigeren Song einzustreuen weiß.

Mit der Single „Lipstick“, die sich durch eine klare Instrumentierung aus Akustik-, E-, und Steelgitarren (schönes E-Gitarren-Solo von JT Corenflos), ergänzt durch feine Piano- und Orgel-Tupfer, sowie Rockies kraftvolle, angenehme Baritone-Stimme auszeichnet, beginnt der Reigen dreier im Midtempo anzusiedelnder Songs. Erstmalig wird die Gangart bei „Super Country Cowboy“ etwas „rockiger“, einer knackigen, flotten Country-Rock-Nummer mit satten E-Gitarren-Riffs, Steel-Untermalung und dezentem Southern-Flair.

Im Strophenbereich entdeckt man sogar leicht angerappten, schnellen, funkigen Sprechgesang, wie man ihn auch schon mal bei Chris Cagles Paradestücken der Sorte „Country By The Grace Of God“ vorfindet. Stark, das ein wenig an Garth Brooks erinnernde „Do We Still“, das im Midtempobereich beginnt, sich aber im Verlauf des Songs bei guter Gitarrenarbeit sehr kraftvoll entwickelt. Gar ein wenig John Mellencamp-Atmosphäre vermittelt der Country-Heartland-Rock-Song „Big Time In A Small Town“. Knackige Drums, das typische Orgel-Pfeifen und wiederum tolle Gitarren (Skynyrd-mäßiges Riff) bestechen auf diesem Highlight des Werkes.

Ein weiterer Höhepunkt ist sicher auch das mit Fiddeln und Harmonika (stark hier Terry McMillan) durchzogene „Every Man’s Got A Mountain“, wobei auch die eingefügten Background-Vocals von Harry Stinson prächtig mit Rockies Gesang harmonieren. Überhaupt wird auf diesem Album meist in den Refrains mit großartigen „Backs“ vieler namhafter, meist weiblicher Akteure gearbeitet. Das sonnig relaxt dahin groovende „Holding Back The Ocean“ glänzt in toller Country-Goodtime-Manier (schöne Mandolinen-Fills), während das abschließende „Red, White And Blue“ balladeskes, patriotisch angehauchtes‚typisch amerikanisches „Country-Gefühlskino“ bietet.

Das Debüt von Rockie Lynne beeindruckt durch seine angenehme, ausgeglichene, instrumentell hochwertige Aufbereitung und gutes Songwriting, wobei hier zunächst der Fokus auf die sichere Etablierung des Künstlers in die Szenerie Nashvilles gerichtet gewesen sein dürfte. Prima, sehr solider, guter Stoff für Freunde von Billy Dean, Brian McComas, Tracy Byrd, Buddy Jewell, Tracy Lawrence, Garth Brooks & Co.!

Universal Records (2006)
Stil: New Country

01. Lipstick
02. The Only Reason
03. More
04.Super Country Cowboy
05. That’s Where Songs Come From
06. Do We Still
07. Big Time In A Small Town
08. Don’t Make This Easy On Me
09. Love Me Like You’re Gonna Loose Me
10. Every Man’s Got A Mountain
11. Holding Back The Ocean
12. Red, White And Blue

Rockie Lynne
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Eve Selis – Long Road Home – CD-Review

Wer zum Teufel ist Eve Selis, fragte ich mich wieder einmal, wie schon so oft bei vielen Künstlern, die mittlerweile in mein Leben getreten sind, seit ich als Online-Rezensent tätig bin. Und die hübsche Kalifornierin scheint ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass das Reservoir an guten Musikerinnen und Musikern in Amerika unerschöpflich zu sein scheint.

Eingefleischten Fans wird meine Unwissenheit wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln entlocken, denn die gute Frau hat mittlerweile ihren vierten Silberling veröffentlicht und ist bei mp3.com mit fast einer Million Downloads eine der begehrtesten Rockladies.

In Amerika hat sie sich durch zahlreiche Nominierungen, Auszeichnungen (u. a. beim San-Diego-Music-Awards) und vielen Konzerten zusammen mit namhaften Leuten wie Travis Tritt, Chris Isaak, Doobie Brothers, Jewel sowie vielen anderen eine große Fangemeinde erarbeitet.

Die CD beginnt mit dem Titelstück und fegt los wie ein Hurrikan. Eve kreischt und brüllt ins Mikro mit dem Temperament eines Vulkans. So in etwa stelle ich mir einen Ehekrach im Hause Rossington vor, bei dem die gute Dale ihrem weggetretenen Ehemann einmal mehr vergeblich versucht, gewisse Dinge lautstark begreiflich zu machen…

Im weiteren Verlauf geben sich wunderschöne peppige Balladen, mit teilweise herrlicher Akkordeonbegleitung („The Lucky One“, „Sweet Companion“), und Uptempostücke mit viel Gitarren und Honkytonkpiano die Klinke in die Hand („Dog House“, „Hit The Road“), getragen von Eves sehr variabler und faszinierender Stimme. Langeweile und Aussetzer sucht man hier vergeblich.

Für den, der den charismatischen Gesang einer Melissa Etheridge mag, Americanasongs in Richtung Steve Earle gut findet, Countryeinflüsse a la Patty Loveless bejaht und Southernrockanleihen bei der Rossington Collins Band gegenüber nicht verschlossen ist, dürfte der Kauf dieser Scheibe eine gut getroffene Entscheidung bedeuten. Die Künstlerin selbst bezeichnet übrigens ihren Musikstil als Roadhouse Rock.

Stunt Records (2000)
Stil: Roadhouse Rock

01. Long Road Home
02. What I Mean To Say
03. Just 3 Words
04. The Lucky One
05. Happy To Be With You
06. Folsom Prison Blues
07. Hearts On Fire
08. Sweet Companion
09. Can’t Get You Out Of My Mind
10. Dog House
11. Hit The Road
12. Christmas In Washington
13. Far, Far From Home/Hot Dog (That Made Him Mad)

Eve Selis
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SHeDAISY – Sweet Right Here – CD-Review

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Eine feste Größe im New-Country-Business zu werden, schicken sich die drei, wie immer super hübsch anzuschauenden, Osborn-Schwestern Krystin, Kelsi und Kassidy an, gleichzusetzen mit SHeDAISY (ein Begriff aus der Sprache der American Natives, bedeutet soviel wie My Sisters).

Nach ihrem überaus erfolgreichen Debüt „The Whole SheBang“ mit über einer Million verkaufter Tonträger, strafte das New-Country-Publikum ihren Nachfolger „Knock On The Sky“ aufgrund geänderter Strategie zu mehr Pop und technischen Spielereien mit knapp unter 100.000 Stück rigoros ab.
Ich persönlich empfand die Geschichte nicht ganz so dramatisch, enthält es doch auch einige sehr schöne Stücke und mit „Man Goin‘ Down“ sogar einen echten Knaller. SHeDAISY stehen nun mal eher für New-Country-Light. Aber die Fakten sprachen für sich, und so reagierte Profi-Produzent Dann Huff natürlich und knüpft jetzt wieder mit „Sweet Right Here“ an Bewährtem an.

Die Songs stammen wie immer aus Krystins Feder unter Zuhilfenahme diverser Co-Writer, die auch schon in der Vergangenheit ihren Beitrag geleistet hatten. Kassidies Stimme klingt klarer denn je, ja sogar zum Teil mit sehr erotischer Ausstrahlung. Die Harmoniegesänge sind traumhaft sicher und zuckersüß anzuhören. Gebaut auf einem soliden Fundament von Klasse-Musikern, diesmal allen voran der überragende Multiinstrumentalist Yonathan Yudkin, dürfte diesmal eigentlich nichts anbrennen.

Platz sieben in den Billboard-Album-Charts erscheint als logische Konsequenz. Überrascht hat mich ein wenig die Auswahl der ersten Single mit dem leicht orientalisch angehauchten „Passenger Seat“. Ist zwar ein ganz passables Stück, aber ich hätte da gleich vier flottere Nummern im Angebot. Das dahinrockende „5432 Run“ mit seiner flippigen Mundorgelbegleitung; „360° Of You“ für mich der Sommerhit schlechthin und legitimer Nachfolger von Shanias „That Don’t Impress Me Much“ mit kratzigem Akustikgitarrenrhythmus und seinem fröhlichen, einfach nachzusingendem Oooo-Refrain; die temporeiche Country-Tanznummer „Good Together (Bucket And Chicken)“ oder das bumpige „Don’t Worry ‚Bout A Thing“ mit toller Harmonika und schöner Banjountermalung, wie häufig bei Keith Urban eingesetzt.

Der alles überragende Song ist jedoch das atmosphärische „Love Goes On“. Wer kann stimmlich einem Verflossenem hingebungsvoller nachtrauern als es hier die gute Kassidy tut? Starke Melodie, tolle Instrumente, klasse Breaks, wunderbare Harmonies und ein markantes E-Solo runden dieses perfekte Lied ab.

Ansonsten kein Ausfall, dazu gibt es ein umfangreiches und schön zu betrachtendes Booklet mit allen Texten. Mein Fazit. Die Osborn-Sisters reifer geworden, und somit sind SHeDAISY wieder in der Spur. Gut gemacht, Mädels!

Lyric Street Records (2004)
Stil: New Country

01. Passenger Seat
02. 5432 Run
03. 360° Of You
04. Love Goes On
05. I Dare You
06. Good Together (Bucket And Chicken)
07. Come Home Soon
08. Don’t Worry ‚Bout A Thing
09. Without A Sound
10. Borrowed Home
11. A Woman’s Work
12. He’s A Hero

SHeDAISY
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Anthony Smith – If That Ain’t Country – CD-Review

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Wenn man beim Betrachten des Covers in das pausbackige und jugendlich wirkende Gesicht von Anthony Smith schaut, glaubt man gar nicht, welch außergewöhnliche Röhre diesem Burschen in die Wiege gelegt wurde.

Und spätestens nach dem ersten Refrain des Auftaktstückes „Who Invented The Wheel“ wird man das Gefühl nicht los, dass der in Tennessee geborene Sänger und Songwriter (bekannte Größen wie Trace Adkins, Lonestar oder George Strait u.a. nahmen seine Dienste bereits in Anspruch) an sein Debütwerk mit dem Ziel gegangen zu sein scheint, die gesamte New-Country-Konkurrenz an die Wand singen zu wollen.

Danach direkt der Knaller des Albums! Das hippe rhythmisch-funkig-flapsig dahingroovende Honky-Tonk-getränkte Titelstück mit seinem dezenten Voodootouch lässt einem die schwül-heiße Luft der Südstaaten förmlich durch den Körper strömen. Irre starkes Lied in Zusammenarbeit mit Jeffrey Steele, einem weiteren namhaften Songwriter der Szene. Wirklich große (New-) Countrymusik!

Die noch folgenden zehn Lieder werden zwar von einer gewissen Gemütlichkeit getragen, aber die Breaks und Refrains, die Anthony voller Inbrunst daherbölkt, lassen jede Gefahr von eventueller Lethargie verpuffen. Weitere prächtige Beispiele: Das ruhige „John J. Blanchard“, das mich vom Feeling an Skynyrds „Ballad Of Curtis Loew“ erinnert, das relaxte Midtempostück und zweite Singleauskopplung „Half A Man“ oder „Airborn“, mit dem von Charlie Daniels oftmals angewendeten rauchigen Sprechgesang.

Die starke Instrumentierung mit vielen E-, Slide-Gitarren- und Pianoeinlagen, für die Multitalent und Mitproduzent Bobby Terry größten Teils verantwortlich ist, dient dabei als Grundlage einer Scheibe jenseits jeden Kommerzes. Ich meine, eine gute Gelegenheit, um die Wartezeit bis zu den nächsten Alben von Montgomery Gentry, Travis Tritt oder Russell Smith zu überbrücken, wobei dieses grandiose Werk sicherlich nicht als Lückenbüßer missverstanden werden sollte.

Auch der eine oder andere Mensch der Americana-Fraktion hat hier sicherlich seine Freude, ich denke da zum Beispiel an John Hiatt-Fans.
Beinhaltet das Statement „If That Ain’t Country“ so etwas wie einen gewissen suggestiven Charakter, so kann ich letztendlich doch relativ unbeeinflusst und frei von der Seele Anthony Smith meinen klaren Kommentar dazu geben: ‚Yeah, that’s country!‘

Mercury Nashville (2002)
Stil: New Country

01. Who Invented The Wheel
02. If That Ain’t Country
03. John J. Blanchard
04. Impossible To Do
05. Half A Man
06. Metropolis
07. Up To The Depth
08. Airborn
09. What Brothers Do
10. Hell Of A Question
11. Venus
12. Infinity

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Jeffrey Steele – Hell On Wheels – CD-Review

Jeffrey Steele zählt zu den großen Hitlieferanten in Nashville. Jeder, der sich etwas intensiver mit CDs aus dem New Country-Genre beschäftigt, stößt mit 100%iger Garantie irgendwann, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar mehrfach auf seinen Namen, bei dem, was meist in der Klammer hinter dem Song steht. So ernteten bereits klingende Interpreten wie Montgomery Gentry, Tim McGraw, Faith Hill, Lonestar, Trace Adkins, Diamond Rio und viele andere die Lorbeeren seiner kompositorischen Inspirationen.

Als Musiker dürfte Steele, der übrigens eine auffallende äußerliche Ähnlichkeit mit Rot-Weiss Essen-Ex-Sturmführer Alex Löbe besitzt, und von daher eh schon sympathisch erscheint, Insidern als Bassist und Sänger der Gruppe Boy Howdy vielleicht noch bekannt sein, die Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre ihren Zenit hatten. Wehe aber, wenn der gute Jeffrey mal nicht ans tantiementrächtige Geldverdienen denkt, sondern sich seinem eigenen Solo-Projekt, unabhängig vom Nashville-Mainstream, widmet. Was er so drauf hat, bewies er eigentlich schon vor zwei Jahren auf seinem überragenden Album „Outlaw“, einer Mischung aus schönem, melodisch modernem, angerocktem Country und einer ordentlichen Portion Southern-Rock. Mittlerweile hat Jeffrey erneut Lust verspürt, sich selbst ein paar Stücke auf den Leib zu schreiben und herausgekommen ist mit „Hell On Wheels“ eine weitere Sternstunde (im wahrsten Sinne des Wortes, die Spielzeit beträgt knapp 58 Minuten!), die zeitgenössische Countryfreunde und Südstaaten Rocker zugleich begeistern wird.

Es geht gleich deftig los mit einem harpgetränktem, bluesigen Countrystomper „Your Tears Are Comin'“ mit recht amüsantem Text, den Steele mit dem bei Insidern ebenfalls recht beliebten Musiker Tom Hambridge komponiert hat (wie auch noch drei weitere Nummern). Ebenfalls aus der Feder der beiden „Sweet Salvation Of Southern Rock And Roll“, eine famose, emotional aufgeladene Southern-Rock-Hymne, die alles, was dieses Genre ausmacht, beinhaltet. Satter Drive in den Strophen, wunderbare E-Gitarren (inkl. ruhigem, warmen Slide-Bridge), Akustik-Piano und freche weibliche Backgrounds von Crystal Taliefero und K. K. Faulkner. Dazu gibt es, wie auch beim folgenden Mix aus Southern-Blues und dezentem Rockabilly, „Itchin'“, eine simulierte Live-Atmosphäre, die beide Songs noch peppiger erscheinen lässt. Überhaupt glänzen diesmal vor allem die fetzigeren Sachen, die Steele mit gewohnt rotziger Röhre vokal begleitet.

Weitere Highlights sind Sachen wie „Hollywood Girl“, ein swingender Southern-Boogie mit Bakersfield-Sound-Anleihen (lustiger Text, herrlich wie Background-Röhre Bekka Bramlett einmal „I love Jim Morrison“ dazwischenbölkt), „Georgia Boy“, eine Hommage an den guten Charlie Daniels (bei dem dessen eigene Stilmittel wie Sprechgesang und wieselflinken, filigranen E-Führungsriffs integriert wurden), oder „Down Here“ (mit tollem Banjo, bluesiger E-Gitarre, funkigen Breaks, Ooh-Ooh- Backs). Dazwischen immer mal wieder ein paar Balladen, die ohne jeden Schmalz auskommen und von Steele wunderschön, mal rauchig entspannt oder kratzig introvertiert, dargeboten werden. „Tryin‘ To Find It“ fand davon als Cover auf das neue Album vom in Nashville im Moment wieder stark auftrumpfenden Texas-Musiker Pat Green. Ebenfalls recht humorvoll dargeboten, wird hier das an John Mellencamp erinnernde „Drunk Girl“. Ein kurzes jazziges Boogie-Piano-Intermezzo ist dann noch meinem Nashville-Lieblings-Keyboarder Gordon Mote bei „Hit It Gordon“ vergönnt.

Mit „Hell On Wheels“ hat Jeffrey Steele wirklich nahtlos an sein ebenfalls sehr zu empfehlendes Vorgänger-Album „Outlaw“ angeknüpft, vielleicht sogar noch ein Schüppchen draufgelegt. Southern-Rocker, die immer noch leichte Berührungsängste haben, sollten sich jetzt wirklich einen Ruck geben. Die ganzen Klassemusiker, die auch diesmal wieder im Großen und Ganzen dabei sind (u. a. Pat Buchanan, Tom Bukovac, Greg Morrow, Tony Harrell, Gordon Mote, Russ Pahl), finden sich auch auf diesem Parkett spielend zurecht. Also, wenn nicht bei diesem Werk, wann dann? Lasst Euch musikalisch von Jeffrey Steele mit qualmenden Reifen durch die Southern-/Countryhölle fahren! Echt heiß!

Eigenproduktion (2006)
Stil: New Country

01. Your Tears Are Comin‘
02. Suite Natural Girl
03. Sweet Salvation Of Southern Rock And Roll
04. Itchin‘
05. Not That Cruel
06. Tryin‘ To Find It
07. Hit It Gordon
08. Hollywood Girl
09. Helldorado
10. Drunk Girl
11. Georgia Boy
12. Sad Situation
13. Down Here
14. Hey God

Jeffrey Steele
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Sugarland – Twice The Speed Of Life – CD-Review

Das Debüt von Sugarland ist zwar von Oktober letzten Jahres, trotzdem denke ich, dass die Scheibe es angesichts ihrer Klasse verdient hat, in Sounds of South vorgestellt zu werden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sowohl das komplette Album als auch ihre sensationelle Single „Baby Girl“ monatelang bis zum aktuellen Tage in den Country Billboard Charts vertreten sind (Platz15, bzw. Platz 4, Stand 02.04.2005).

Aber wer sind Sugarland überhaupt? Dahinter verbirgt sich ein Trio von Musikern, die sich nicht nur bei Insidern in der Szene um Atlanta herum bereits zu früheren Zeitpunkten einen Namen gemacht haben.

Kristen Hall (Akustikgitarre, Background Vocals), eine Singer und Songwriterin, die bereits zwei Solowerke herausgebracht hat und Kristian Bush (Mandoline, Background Vocals), Part des Duos Billy Pilgrim (immerhin Inhaber eines Major Record Deals), waren an einem Punkt in ihrer Karriere angelangt, wo der Spaß an ihrem Treiben in Richtung Nullpunkt gesunken war. Nach einem intensiven Gespräch, beschloss man gemeinsam Stücke zu schreiben, spürte aber von Anfang an, dass man, um die entstandenen Synergien optimal ausnutzen zu können, eine zu ihnen passende Sängerin brauchte.

Die fand man in Jennifer Nettles, die bereits mit Soul Miners Daughter und der Jennifer Nettles Band den Atlanta-Club-Circuit aufgemischt hatte.
Eine exzellente Wahl, wie ihr Album „Twice The Speed Of Life“ eindrucksvoll beweist. Denn hier passt wirklich alles punktgenau zusammen, nicht auch zuletzt ein Verdienst vom erfahrenen Produzenten Garth Fundis an den Reglerknöpfen (Trisha Yearwood, Alabama, Collin Raye), der sämtliche Songs herrlich knackig abgemischt hat.

Kirstens flockiges Akustikgitarrenspiel, Kristians wunderbare Mandolinendarbietungen, ergänzt durch Klasseinstrumentalisten wie Tom Bukovac an der E-Gitarre, Glenn Worf am Bass, Greg Morrow an den Drums, Bob Hajacos an der Fiddle und Dan Dugmore, Steel Gitarre und Dobro, bilden den Nährboden für Jennifers angriffslustigen, mit grandiosem Temperament ausgestatten Gesang, mit echtem southerntypischem Twang. Mein Gott geht das Mädel ab, dabei sieht die unschuldig aus wie ein Engelchen!

Sämtliche Songs sind ein Genuss, eine Schwachstelle sucht man in der knappen Dreiviertelstunde vergebens. Vom knackigen New-Country, ohne auch traditionelle Elemente des Genres aus den Augen zu lassen, Pop, Rock, bis zu Westcoasteinflüssen ist hier alles in einem gesunden Verhältnis mit viel Power zusammengefügt worden.

Herausragend die beiden fetzigen Opener „Something More“ und „Baby Girl“; „Tennessee“ mit diesen leichten, an Fleetwood Mac erinnernden, Harmoniegesängen; „Just Might (Make Me Believe)“, eine wunderbare Countryballade ohne jeden Schmalz, dafür mit phantastisch eingestreuten Gitarrenparts von Tom Bukovac, oder das schweißtreibende, mit Rockabilly-Flair umgarnte Uptempostück „Down In Mississippi (Up To No Good)“. Wahnsinnig hier Jennifers dreckiger Speed-Sprechgesang und ein tolles Fiddle-Steel-Duell.

Fazit. Sugarland haben sich gesucht und gefunden. Ich habe selten so einen frischen Einstieg ins Haifischbecken Nashville erlebt. Ich bin mir sicher, dass das Trio, auch wenn die Messlatte für ihr Nachfolgewerk sehr hoch gelegt wurde, bei dem vorhandenen kreativen Potential, es zu mehr als einem One-Night-Stand bringen wird. Ein von vorn bis hinten wirklich gelungener flotter Dreier…!

Mercury Records, (2004)
Stil: New Country

01. Something More
02. Baby Girl
03. Hello
04. Tennessee
05. Just Might (Make Me Believe)
06. Down In Mississippi (Up To No Good)
07. Fly Away
08. Speed Of Life
09. Small Town Jericho
10. Time, Time, Time
11. Stand Back Up

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The Warren Brothers – Portrait

Eine weitere Band, die sich, ähnlich wie die Sons Of The Desert, in angenehmer Weise vom alten Countryklischee „Meine Frau hat mich verlassen und mein Hund wurde von einem Truck überfahren“ abhebt, sind die aus Tampa, Florida, stammenden Warren-Brüder.

Aufgewachsen in „Amish-People ähnlicher Art“ – so gab es bis zum 17. Lebensjahr kein Fernsehen – in der Realität einer modernen Großstadt, schöpften Brett Warren (lead vocals, acoustic guitars, keyboards, harmonica, mandolin) – äußerlich ein wenig dem jungen Elvis ähnelnd, und Brad Warren (electric-/acoustic guitars, harmony vocals), ein wenig sensibler und intellektueller wirkend, schon frühzeitig viel ihres zwiespältigen Humors, der heute größtenteils in ihren Songs reflektiert wird.

Nach dem Motto „die Rolling Stones oder Missionare werden“, beginnen sie ihr Leben nach dem High School-Abschluss als Full Time-Musiker. Es folgten um die 300 Gigs jährlich, meist in den Beach Clubs Floridas Küste entlang, bis beide eines Tages zur Einsicht gelangten, dass dies nicht die geeignte Atmosphäre für echte Songwriter ist.

Sie beschließen, nach Nashville zu gehen, um Platten zu verkaufen mit dem Anspruch, nicht zu sein, wie die meisten anderen. Man wird ansässig in einem Vorstadt-Club, namens „The Bunganut Pig“ und lernt den Songwriter Tom Douglas kennen, über den Kontakte zu „RCA“-Frau Renee Bell und „RLG-Nashville“-Chef Joe Galante geknüpft werden.

Die beiden letztgenannten sind nach einem ihrer Konzerte von der enthusiastischen Atmosphäre so angetan, dass sie schon einen Tag später einen Plattendeal mit beiden unter dem „RCA“-Schwester-Label „BNA“ abschließen. Und so entsteht 1998 ihr Debutalbum „Beautiful Day In The Cold Cruel World“, unter der Regie von Deanna Carter-Produzent Chris Farren.

Beautiful Day In The Cold Cruel World Die CD startet direkt mit dem funkigen Hammerstück „Guilty“ und bietet zwölf abwechslungsreiche Songs, allesamt aus der eigenen Feder. Die Scheibe ist sehr von Eeagles-Einflüssen geprägt, allerdings ohne damit die eigene Note zu sehr zu übertünchen. Höhepunkte sind für mich, neben dem erstgenannten Stück, das nachdenkliche „Better Man“, das selbstironische und für ihren Humor typische Gute-Laune-Stück „Just Another Sad Song“, dass alles andere als traurig rüberkommt, übrigens das einzige Stück über und aus ihrer Beach Club-Zeit und der Abschlussknüller „Nowhere Fast“, das ein wenig an John Mellencamp erinnert und in echter Manier der großen Songwriter geschrieben ist.

Die CD besticht durch ihren klaren Sound, die schöne Instrumentierung sowie die unglaublich angenehm ins Ohr gehende Stimme von Brett Warren, bei der immer wieder die Assoziation mit Don Henley in meinem Kopf herumschwirrt. Die Resonanz auf dieses tolle Werk lässt nicht lange auf sich warten: Es gibt jeweils eine Nominierung für das „Vocal Duo Of The Year“ von der „Country Music Association“ als auch für das ‚Top New Vocal Duo/Group‘ von der „Academy Of Country Music“.
Der Verkauf wird durch große Touren mit dem Faith Hill/Tim McGraw-Clan und den Dixie Chicks nachhaltig gepuscht.

Eine weitere positive Synergie ist die professionelle Einstellung, die beide mit ihrer Band, laut eigener Aussage, aus diesen „Majoracts“ für sich und ihre Entwicklung mitnahmen. Darin liegt für mich auch einer der Gründe, warum es beiden gelingt, mit ihrem zweiten Album, „King Of Nothing“, die Qualität ihres Erstlingswerkes noch zu toppen.

King Of Nothing Produziert wieder von Chris Farren, diesmal coproduziert von Brett und Brad, neun von elf Songs wieder selbst geschrieben, mit Beteiligung namhafter Leute, wie Bob DiPiero, Danny Wylde (The Rembrandts) und Benmont Tench (Tom Petty & The Heartbreakers). Alles klingt noch einen Tick moderner, rauer und rockiger. Bei den zwei Honky-Tonk-Stücken „Strange“ und „It Ain’t Me“ kommt ihre Liebe zu Lynyrd Skynyrd-Songs deutlich zum Tragen. Gerade bei „It Ain’t Me“ glänzt Keyboarder Rob Stoney in Billy Powell-typischer Art und im Break nach dem zweiten Refrain könnte man meinen, Johnny Van Zant persönlich wäre hinters Mikro geschritten.

Bei einigen Liedern wie z.B. „Do Ya“, „Superstar“, „That’s The Beat Of My Heart“, aus dem Soundtrack zum Film „Where The Heart Is“ und der größte Singleerfolg bisher, oder dem starken Titelstück „King Of Nothing“ drängt sich komischerweise immer wieder der Vergleich ,Bryan Adams plays New-Country“ in mein Hinterstübchen.

Ein weiterer Höhepunkt: die Killerballade „Waiting For The Light To Change“, bei der Brad Warren eine Kostprobe seines vorzüglichen Gitarrenspiels abliefert.
Alles in allem ein toll gelungenes, sehr abwechslungsreiches Werk mit wunderbaren Gitarrenpassagen und herrlichen Melodien. Auch Brett Warrens wandlungsfähige Stimme verleiht der CD ihren besonderen Touch und den erneuten kleinen Kick nach vorne. Man darf schon jetzt auf ihre nächste Scheibe gespannt sein, die Messlatte liegt jedenfalls ungeheuer hoch.

Die beiden haben, nach Meinung vieler Experten, bisher dem Anspruch, frischen Wind nach Nashville zu bringen, in allen Bereichen Genüge getan und der New Country Musik der heutigen Zeit, gerade auch was ihre Live Shows angeht, die Richtung vorgegeben.

Typisch Brett Warrens Statement in einem Interview dazu, was ihre Art, Musik zu machen bewirken sollte: „Tanzende, singende und trinkende Leute sowie gutaussehende Girls überall, Cowboys, die sich fragen ‚Was geht denn hier ab?‘, wenn wir plötzlich Songs von Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan oder Lynyrd Skynyrd am Ende der Show auspacken, das ist, was wir wollen!“

The Warren Brothers: Brüder, die ernste Songs schreiben wollen, für die das Leben aber zu kurz ist, um ernst zu sein. Engel und Bengel gleichzeitig. Möge uns ihre flapsig-zwiespältige, selbstironische Art und ihre tolle Musik noch lange auf diesem hohen Niveau erhalten bleiben. Von mir aus bis in alle Ewigkeit!

P.S.
Die beiden brachten 2004 eine weitere starke CD „Well-Deserved Obscurity“ heraus (dazu 2005 auch noch eine ‚Best Of‘), die in diesem Magazin separat beleuchtet ist.

„Beautiful Day in The Cold Cruel World“

RCA Country (Sony Music) (1998)
Stil: New Country

01. Guilty
02. Surviving Emily
03. Better Man
04. Greyhound Bus
05. The Enemy
06. Loneliest Girl In The World
07. Cold Cruel World
08. She Wants To Rock
09. I Tried
10. The One I Can’t Live Without
11. Just Another Sad Song
12. Nowhere Fast

„King Of Nothing“

BNA Records (2000)
Stil: New Country

01. Strange
02. Waiting For The Light To Change
03. Where Does It Hurt
04. Superstar
05. Move On
06. No Place To Go
07. Do-Ya
08. What We Can’t Have
09. King Of Nothing
10. It Ain’t Me
11. That’s The Beat Of A Heart

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The Warren Brothers – Well-Deserved Obscurity – CD-Review

War

Dass die Kündigung ihres Major-Labels „BMG“ eine Trotzreaktion hervorrufen würde, dürfte jedem klar gewesen sein, der sich etwas intensiver mit der Biographie, den Texten und der Musik der Warren Brothers beschäftigt hat. Freuen darf man sich daher mit der kleineren Firma „429 Records“, die den beiden eine neue musikalische Heimat gewährt hat.

Gespart wurde eigentlich nur an dem recht knapp gehaltenen Booklet, ansonsten konnten Brad und Brett Warren aus dem Vollen schöpfen. Man spürt förmlich, dass ihr neues Album „Well-Deserved Obscurity“ frei von allen Zwängen produziert wurde, und man kann guten Gewissens behaupten, dass sie nie stärker und rockiger herüberkamen als jetzt, wobei man natürlich nicht verschweigen sollte, dass man auch ihre beiden Erstwerke blind kaufen kann.
Sämtliche Songs stammen wieder aus der eigenen Feder. Erwähnenswert finde ich auch, dass in der Zwischenzeit so namhafte Interpreten wie Lynyrd Skynyrd, Tim McGraw oder Rushlow ihre kreativen Dienste in Anspruch genommen haben.

Um dem Interessenten nicht ganz die Spannung zu nehmen, hier nur einige Highlights von vielen. „Comeback“ macht seinem Namen alle Ehre, sofern man das so nach einer dreijährigen Albumpause sehen will; sehr melodisch gehalten mit schöner Pianobegleitung, aber auch tollen Slidegitarren. Das Lied könnte von der Art her auch auf einem guten Bryan Adams-Album platziert sein, ein Ohrwurm eben.

Der absolute Knaller und sicher einer meiner Songs des Jahres 2004 ist „Between The River And Me“. Zunächst erfolgt ein bedächtiger rootsmäßiger Einstieg, dazu eine nette Mandolinenbegleitung, dann plöztlich ein typisches Allman Brothers-Break, Refrain im Lynyrd Skynyrd-Stil, danach ein zum Headbanging einladender Metalpart und nach einem weiteren Allman-Break noch mal klasse E-Gitarren. Hört sich wüst an, begeistert aber ungemein. Ein Wahnsinns Rocksong im Wechselbad der Gefühle und das auf einem in Richtung New-Country konzipierten Tonträger – alle Achtung!

„Change“ beginnt mit einem wunderbaren Mandolinenintro und entwickelt sich zu einem rhythmischen Rocker der Marke John Hiatt oder Bottle Rockets.
Ihre Liebe zu Lynyrd Skynyrd bekommt man bei folgenden drei Stücken zu spüren. Wohl auch als humorvolle Anspielung auf ihre frühere Kellnertätigkeit anzusehen ist „Sell A Lot Of Beer“. Ein typischer Mitgröler, der jeden Saal in Wallung bringen wird („… we’re just one big redneck family and that’s why we’re in here, ‚cause we don’t sell a lot of records, but we sure sell a lot of beer…“).

Der Southern-Boogie „Quarter To Three“ erinnert an „White Knuckle Ride“, auffällig die Stimmähnlichkeit von Brett Warren und Johnny Van Zant.
„Liquid Confidence“ hat ein wenig den Charakter von „Devil In The Bottle“ vom „Endangered Species“-Album, ein semiakustischer Southern-Blues mit klasse Dobro- und Harpeinsätzen.

Einiges an Southern-Flair kommt auf den Hörer zu, aber auch leichte Westcoastansätze der Gattung Eagles und ein wenig dezenter Pop-Rock wie bereits eingangs erwähnt. Also, schnell bei Jürgen Thomä von Bärchen Records anklingeln und bestellen. Ob der schon mal in seinem Leben Bier an den Mann gebracht hat, bleibt wohl sein Geheimnis, aber dass er jede Menge toller Platten verkauft hat und verkaufen wird, kann ich Ihnen versichern…

429 Records (2004)
Stil: New Country

01. Comeback
02. Between The River And Me
03. Change
04. Southern Baptist Heartbreak
05. Goodbye To Neverland
06. Pretty
07. Sell A Lot Of Beer
08. Trouble Is
09. Quarter To Three
10. Little Saviour Of Brooklyn
11. Running Out Of Heroes
12. Liquid Confidence
13. The Lucky

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Sons Of The Desert – Portrait

Sons

Ich entdeckte die Gruppe durch eine Anfrage bei Bärchen-Records. Nachdem ich Jürgen Thomä meine Geschmacksrichtung grob vorgegeben hatte, bat ich um ein paar Empfehlungen. Im Angebot befand sich eine Band namens Sons Of The Desert. Nach einem Blick auf seine toll gestaltete Homepage und der kurzen Kritik zu ihrem Zweitwerk „Change“, bestellte ich die Scheibe kurze Zeit später. Freitags darauf bekam ich den ersten Appetithappen in der Sendung Country Roads auf 3sat geboten. Das Titelstück „Change“, eine wunderschöne Nummer mit klasse Tempowechseln und einer unglaublich tollen Stimme des Sängers.

Die Burschen machten schon im Videoclip sofort einen sympathischen Eindruck. Einen Tag später kam prompt die erwartete Bestellung. Mitten im Umzugsstress ließ ich es mir nicht nehmen, kurz in die CD reinzuhören. Schon bei den ersten Tönen von „Goodbye To Hello“ war es um mich geschehen. Der Gesang bohrte sich förmlich in mein Ohr, dazu eine Melodie, die unter die Haut ging und trotzdem knackig über mich hinwegfegte. Von dem Augenblick an war mir klar, dass meinen bisherigen Favoriten in diesem Genre, Wynonna und Tim McGraw, ernsthafte Konkurrenz ins Haus stehen würde. Zäumen wir das Pferd jedoch nicht von hinten auf, sondern blicken zunächst auf den Werdegang der Band.

Ihre Story beginnt eigentlich vor ca. zehn Jahren in Waco, Texas, als die Brüder Drew (voc, g) und Tim Womack (g) nach dem Ausstieg des bisherigen Sängers zum Original-Sons-Line-Up, Doug Virden (b), Brian Westrum (dr) und Scott Saunders (key), stießen. Benannt nach einem Laurel-und-Hardy-Film tourten die Jungs mit damals unbekannten Größen wie Ty Herndon und Lonestar die Countryclubs und Honkytonkbars im Umkreis von Dallas rauf und runter, bis 1997 der Vertrag für ihr Debütalbum, „Whatever Comes First“ bei Epic Records zustande kam. Die Scheibe beinhaltet u. a. einen bunten Mix aus peppigen Uptemponummern „Hand Of Fate“, „Whatever Comes First“, „Drive Away“, herrlichen Balladen „Leaving October“, „Colorado“, „Burned In My Heart“ sowie zwei tolle Honkytonkstücke „Bring On The Angel“, „Devil Right On My Shoulder“, die auch das Herz manch eines Southern-Fan höher schlagen ließen.

Zwei Dinge wurden besonders ans Tageslicht gefördert: Zum einen ein deutlich zu spürender Teamgeist, bedingt durch die Großzügigkeit der Plattenfirma, die Band an der langen Leine zu führen, was die Vorstellungen bzgl. der Umsetzbarkeit ihrer Songs anging, zum anderen die Einzigartigkeit des hochtalentierten Sängers und Songwriters Drew Womack. Ob allein oder mit externen Schreibpartnern schafft er es, die Hörer in seinen Bann zu ziehen und nicht mehr gehen zu lassen. Just in dem Moment, als der steile Aufstieg der Sons vorprogrammiert zu sein schien, trennt man sich, zur Überraschung aller, von Epic.

Die Gunst der Stunde nutzte Tony Brown, MCA-Nashville-Chef, bereits schon vorher großer Sons-Fan. Er erinnert sich: Es war genau der richtige Moment, um die Band eine Stufe höher zu puschen, wie schon bei Vince Gill oder Chely Wright. Man muss den Zeitpunkt genau treffen, eine äußerst glückliche Entscheidung.

Die Befürchtungen der Jungs, eine komplette Generalüberholung über sich ergehen lassen zu müssen, trat nicht in Kraft. Auf der Strecke blieben lediglich Drews lange Haare und ein etwas geändertes Bühnenkonzept, dass die drei Gitarristen mit viel Harmoniegesang kompakter in den Vordergrund stellen soll, um durch bessere Kommunikation ein breiteres Spektrum an Fans erreichen zu können. Es gab, gegenüber dem Debütwerk, eine größere Songauswahl; erfolgreiche Songwriter wie Craig Wiseman, Chris Lindsey und Mark Selby als auch namhafte Gästemusiker wie Keith Urban und Paul Franklin wurden zur Verfügung gestellt, der Kreativität Drew Womacks aber weiterhin alle Türen offen gelassen.

Drews Kommentar: Ich bin in dem Business, weil die Leute es lieben, Bands zu hören, die ihre eigenen Songs schreiben und spielen. Brown fügt hinzu: Drews Songwriting als Ergänzung zur Begabung der Musiker ist unglaublich. Kommen wir zur CD selbst. Neben den schon erwähnten Liedern, „Goodbye To Hello“ und „Change“, enthält sie u. a. weitere Sahnestücke wie „Blue Money“, eine Nummer, die unweigerlich an alte Eagles-Klassiker im modernen Gewand erinnert, „Real Fine Love“ eine Killer-John Hiatt-Coverversion, „I Need To Be Wrong“, das persönliche Lieblingsstück der Band, das funkige „Everybody’s Gotta Grow Up“ (dazu wurde ein toller, humorvoller Videoclip mit der Band auf einer Plattform inmitten eines riesigen Swimmingpools gedreht) und „The Ride“ mit toller Banjobegleitung von Keith Urban.

Dazu natürlich auch wieder Balladen wie „Albuquerque“, aus der Epic-Schlussphase neu überarbeitet, oder „Too Far To Where You Are“, dass eigentlich für Tim McGraw bestimmt war, aber großzügig an die Jungs abgetreten wurde. Alles in allem muss man feststellen, dass sich der ‚Wechsel‘, sofern man ihn als diesen bezeichnen kann, gelohnt hat. Es ist alles noch ein wenig knackiger und moderner geworden. Mir gefällt besonders der klare Sound, d. h. die Stimme sowie die einzelnen Instrumente für sich sind zur jeder Phase eindeutig differenzierbar und fließen dennoch wieder in einem Ganzen zusammen.

Abschließen möchte ich mit einem Statement von Drew Womack: Es gibt viele Leute in diesem Geschäft, die Angst haben, neue Dinge zu probieren, sie wollen sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber Musik muss sich weiterentwickeln, dazu muss man neue Ideen einbringen. In anderen Worten: Ein Wechsel tut gut! Zu erwähnen sei auch noch das soziale Engagement der Gruppe. Sie unterstützt eine gemeinnützige Organisation namens Jason Foundation, die sich der Vorbeugung von Jugendselbstmorden verschrieben hat.

P.S.
Die Band löste sich trotz allen musikalischen Potentials 2004 auf, lediglich Drew Womack konnte als Solokünstler weiter von sich Reden machen.

„Whatever Comes First“

Sons_1

Epic Records (1997)
Stil: New Country

01. Hand of Fate
02. Whatever Comes First
03. Leaving October
04. Bring On The Angel
05. You Can Come Cryin‘ To Me
06. Colorado
07. When It’s Right
08. Promises
09. Drive Away
10. Devil On Both Shoulders
11. Burned In My Mind

„Change“

Sons_2

MCA Nashville (2000)
Stil: New Country

01. Goodbye To Hello
02. Albuquerque
03. What I Did Right
04. Everybody’s Gotta Grow Up Sometime
05. Too Far To Where You Are
06. I Need To Be Wrong Again
07. That’s The Kind Of Love You’re In
08. Real Fine Love
09. Blue Money
10. Change
11. Ride

Drew Womack
Bärchen Records

Travis Tritt – Strong Enough – CD-Review

Tritt

Travis Tritt zählt sicherlich ohne Umschweife zu den Interpreten, die sich ihren Platz in unserem New Country-Herzen redlich verdient haben. Schließlich kann der 1963 in Marietta, Georgia geborene Künstler auf eine fast zwanzig Jahre andauernde erfolgreiche Karriere zurückblicken. Attribute wie sympathisch, ehrlich, solide oder bodenständig kann man guten Gewissens attestieren.

Der Mann mit der Reibeisenstimme hat es immer geschafft, Musik massenkompatibel zu gestalten, ohne sein Gesicht dabei zu verlieren. Seinen Wurzeln, dem rootsigen Country, durchsetzt mit Honky Tonk, Rock- und Southernelementen sowie schönen Balladen ist er eigentlich bis zum heutigen Tag treu geblieben.

Der Hardliner wird bei seiner neuen Scheibe „Strong Enough“ sicherlich ohne mit der Wimper zu zucken zugreifen, den außen stehenden Rest könnte sein aktuelles Album in zwei Lager spalten.

Die Leute, die eher auf die rockigere Variante stehen, werden zwar mit drei wirklich tollen Slide-Honky-Tonk-Stücken belohnt („You Can’t Count Me Out Yet“, „If You’re Gonna Straighten Up – Brother Now’s The Time“, „Time To Get Crazy“), der übrige Teil, und das sind gute zwei Drittel der Scheibe, ist doch ziemlich balladendurchtränkt (besonders toll: „Can’t Tell Me Nothin'“, „Strong Enough To Be Your Man“, „Doesn’t Anyone Hurt Anymore“), was Leuten wie mir, die ruhigere Sachen bevorzugen, wohl mehr entgegenkommt.

Das Gesamtergebnis ist in etwa mit dem seiner letzten CD „Down The Road I Go“ vergleichbar. Was mir an seinen Songs immer gefällt, ist, dass Tritt nicht, wie im New-Country oft üblich, von Friede-Freude-Eierkuchen singt, sondern schon mal kaputte Beziehungen oder unangenehme Begleiterscheinungen des Alltags aufgreift; Dinge, die Leute aus dem Herzen sprechen und nachvollziehbar sind.

Als Beispiel einige Zeilen aus „Country Ain’t Country“:

„…The back forty was sold to make up for hard times
Then sold by the half acre lot overnight
The houses went up and the trees were cut down
And there went the finest deer hunting around
Lord everyone’s locking their doors
‚Cause country ain’t country no more
There’s no turning back
And you just can’t ignore
That country ain’t country no more…“

Zeilen, die viel über unsere heutige dahinrasende Zeit aussagen; da empfinde ich es nur als legitim und angenehm, dass Travis dann auch mal beim Tempo seiner Stücke ein wenig auf die Bremse ‚tritt’…

Sony Music (2002)
Stil: New Country

01. You Can’t Count Me Out Yet
02. Can’t Tell Me Nothin‘
03. Strong Enough To Be Your Man
04. Country Ain’t Country
05. If You’re Gonna Straighten Up (Brother Now’s The Time)
06. Doesn’t Anyone Hurt Anymore
07. You Really Wouldn’t Want Me That Way
08. I Don’t Ever Want Her To Feel That Way Again
09. Time To Get Crazy
10. Now I’ve Seen It All
11. God Must Be A Woman
12. I Can’t Seem To Get Over You

Travis Tritt
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